Als Lehrerin arbeiten und gleichzeitig promovieren. Geht das? Die empirische Bildungs- und Unterrichtsforschung findet in der School of Education FACE in enger Verbindung mit der Lehrer*innenbildung und in intensivem Austausch mit der Praxis statt. Zahlreiche Forschungsprojekte bieten die Möglichkeit zur Promotion an einer der Partnerhochschulen. In unserer Reihe berichten Doktorand*innen von ihren Erfahrungen. Heute: Laura Bollack, die Musiklehrerin ist und an der Hochschule für Musik promoviert.
Liebe Frau Bollack, Sie haben Mathematik und Musik auf Lehramt studiert und promovieren jetzt im Fach Musikpädagogik zum Thema Songwriting mit digitalen Endgeräten. Wie kam es dazu?
Popmusik ist ein großes Herzensthema für mich, da ich selbst vor allem in den Bereichen Jazz- und Popmusik sozialisiert bin. Im Studium an der Musikhochschule habe ich die Hauptfächer Jazzklavier und Jazz-/Popgesang studiert, als Popmusikerin musiziere ich seit vielen Jahren in verschiedenen Bands.
Meine Perspektive aus der Musikpraxis als Popmusikerin habe ich in Unterrichtsmaterialien und Schulbüchern zu Popmusik im Unterricht als Musiklehrerin oftmals nicht wiedergefunden. Das hat mich motiviert, mein Promotionsvorhaben zu den Themenbereichen Popmusik, Songwriting und Digitalisierung zu konzipieren.
Im Rahmen meiner Forschung entwickle ich nun innovative Unterrichtsumgebungen zum Songwriting mit digitalen Endgeräten und erprobe diese im Regelunterricht in der Schule.
Wie haben Sie Ihre Betreuer*innen ausgesucht? Wie die Hochschule?
Im Rahmen verschiedener Lehraufträge lehre ich als Dozentin für Jazzgesang und Schulpraktisches Klavierspiel bereits seit Ende meines Studiums an der Hochschule für Musik Freiburg. Dass die Hochschule eine wissenschaftliche Mitarbeiterin sucht und es im Rahmen der Stelle die Möglichkeit zur Promotion gibt, habe ich durch Zufall auf der Homepage entdeckt und mich darauf beworben. Der Wechsel in den Fachbereich Musikpädagogik war somit kein Sprung ins kalte Wasser, da ich das Arbeitsumfeld und das Kollegium bereits kannte.
Der Standort Freiburg ist für mich vor allem durch die die enge Kooperation der lehrer*innenbildenden Hochschulen in der School of Education FACE, dem großen Forschungsschwerpunkt im Rahmen der Musikpädagogik und der großen methodischen Expertise im Bereich der dokumentarischen Entwicklungsforschung sehr attraktiv. Das alles bietet mir sehr gute Rahmenbedingungen für meine Forschung.
Sie unterrichten neben Ihrer Tätigkeit an der Hochschule für Musik in Freiburg zusätzlich an einer Schule. Wie funktioniert das? Wie sieht eine typische Arbeitswoche für Sie aus?
Ich bin Lehrerin und zu einem Teil meiner Stelle aus dem Schuldienst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Hochschule für Musik Freiburg abgeordnet. Meine Arbeitswoche ist geprägt von ständig wechselnden Tätigkeitsfeldern in den Bereichen Unterricht, Lehre und Forschung.
Der Arbeitsplatz ist örtlich dreigeteilt: An zwei aufeinander folgenden Tagen arbeite ich als Lehrerin an einem Gymnasium im Rhein-Neckar-Kreis. Dort unterrichte ich derzeit überwiegend das Fach Musik und bin für die Moodle-Koordination an der Schule zuständig.
In der Wochenmitte verlagert sich mein Arbeitsplatz und Wohnort nach Freiburg. Im Arbeitsalltag an der Hochschule für Musik in Freiburg gibt es einige fixe Termine: Hierzu zählen die Lehrveranstaltungen für Studierende im Lehramt Musik, die Besprechungen im Team der Musikpädagog*innen und der Austausch im Rahmen eines standortübergreifenden Forschungskolloquiums.
Als Dozentin im Bereich Jazzdidaktik im Instrumentalunterricht arbeite ich zudem an der Hochschule für Musik in Basel. In den Zeitslots zwischen diesen festen Terminen liegt der Fokus auf meinem Forschungsprojekt: Aktuell werte ich die Daten der ersten Unterrichtserhebungen aus. In diesen fast täglich wechselnden Arbeitsszenarien wünsche ich mir manchmal, mehr Zeitressourcen zum Eintauchen in nur einen der Aufgabenbereiche zu haben.
Zugleich bereichern die verschiedenen Arbeitsfelder sich gegenseitig: Meine Erfahrungen aus dem Schulalltag fließen in die Entwicklung meines Unterrichtsdesigns ein, zudem kann ich meine Unterrichtserprobungen zum Teil an meiner Schule durchführen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse verändern meine Perspektive auf meinen Unterrichtsalltag.
Welchen Herausforderungen sind Sie im Zuge Ihres Promotionsvorhabens begegnet?
Die größte Herausforderung ist für mich, den terminlichen Bedarfen der verschiedenen Standorte gerecht zu werden. Zeitliche Überschneidungen sind in diesem Arbeitsmodell alltäglich und fordern von allen beteiligten Akteur*innen große Flexibilität und hohe Kompromissbereitschaft. Der wöchentliche Standortwechsel mit Zug und Fahrrad hingegen ist inzwischen Teil der Arbeitsroutine. Die Fahrtzeiten kann ich dank guter Infrastruktur im ICE zum Arbeiten nutzen.
Für die Entwicklung und Erprobung meiner Lern-Lehr-Umgebungen bin ich auf schulische Kooperationspartnerschaften angewiesen. In der Praxis erlebe ich das Knüpfen solcher Partnerschaften als herausfordernd. Einerseits erzeugt das Unterrichten in einem solchen Forschungssetting bei den beteiligten Lehrkräften oftmals Druck, „perfekt“ unterrichten zu müssen. Gleichzeitig begegnen mir Bedenken in Bezug auf die videographische Observation von Unterricht.
Im bereits stark getakteten Schulalltag kann die Durchführung eines solchen Forschungsprojektes als Mehrarbeit und zusätzliche Belastung empfunden werden. Seit meiner ersten Suche nach Kooperationspartnerschaften bin ich mir dieser Vorbehalte bewusst und versuche, ihnen offen zu begegnen.
Welche Perspektiven für Ihre berufliche Zukunft erhoffen Sie sich von der Promotion?
Langfristig eröffnet die Promotion die Möglichkeit, im wissenschaftlichen Bereich an einer Hochschule oder Universität tätig zu sein. Zudem empfinde ich den mit der Promotion verbundenen Wechsel von der Schule an die Hochschule nach einigen Jahren im Berufsleben als Chance, in eine veränderte Arbeitsstruktur eintauchen und mich mit einem Thema intensiv auseinandersetzen zu können.
Die Arbeit im Bereich der Erwachsenenbildung und der Austausch mit den Studierenden bereichern mich sehr, sodass ich mir dieses Tätigkeitsfeld als Teil meiner zukünftigen Berufstätigkeit vorstellen kann.
Was hätten Sie gerne gewusst, bevor Sie die Promotion angefangen haben?
Das eigene Forschungsthema ist für einen langen Zeitraum im täglichen Leben omnipräsent. Dieser Situation gelassen zu begegnen, ist ein andauernder Lernprozess.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hinweis: Das Interview erschien zuerst in der UNIversalis-Zeitung (34. Ausgabe / 19. Jahrgang, Sommer 2023)