Physiklehrer*innen fehlen deutschlandweit und schulartenübergreifend. Das hat die Kultusministerkonferenz bereits 2020 festgehalten. Eine aktuelle Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) hat nun die Situation von Lehramtsstudierenden der Physik näher untersucht. Sie sieht Schwierigkeiten in der Lehramtsausbildung aber auch große Potenziale. Von der Universität Freiburg sind Andreas Woitzik als Autor sowie Prof. Dr. Thomas Filk als Berater an der Veröffentlichung beteiligt.
Zunächst gibt es Positives zu vermelden: Physik auf Lehramt zu studieren ist in Deutschland flächendeckend möglich. Auch gibt es bei 80 % der Fachbereiche Physik, die eine Lehramtsausbildung anbieten, eine Professur für Fachdidaktik. Obwohl in Einzelfällen eine Geringschätzung durch Dozent*innen im Vergleich zu Fachstudierenden beklagt wird, findet die überwiegende Mehrheit der Lehramtsstudierenden ausreichend Ansprechpartner*innen und fühlt sich von Dozent*innen und Verwaltung in der Regel wertgeschätzt.
Zugehörigkeitsgefühl: Studierende der Physik oder des Lehramts?
In der Interessenvertretung der Studierenden (Fachschaft) sind Lehramtsstudierende der Physik zwar unterrepräsentiert, das ist bei dieser Gruppe allerdings nicht ungewöhnlich: Wer zwei oder gar drei Hauptfächer studiert, hat zum einen gleich mehrere Fachschaften zur Auswahl, zum anderen aber auch größere Schwierigkeiten, derartiges Engagement terminlich zu bewältigen.
Diese Eigenheit des Lehramtsstudiums zeigt sich auch im Zugehörigkeitsgefühl: Die meisten Studierenden im Lehramt Physik fühlen sich in erster Linie als Student*innen des Lehramts und erst in zweiter Linie als Student*innen des Fachs Physik. 97 % der Befragten geben an, später in der Schule arbeiten zu wollen, d. h sie haben einen klaren Berufswunsch und sehen das Studium als eine berufsspezifische Qualifikation an.
Was treibt Menschen an, Physik zu studieren?
Ihre (Fach-)Motivation schöpfen Lehramtsstudierende der Physik mehrheitlich aus der persönlichen Neugier und dem eigenen früheren Physikunterricht. Neben der Begeisterung für das Fach rangieren auch die eigenen Fähigkeiten bzw. Begabungen auf den vordersten Plätzen. Da für deren Entfaltung ein qualitativ hochwertiger Physikunterricht unabdingbar ist, dürfte ein Physiklehrer*innenmangel sich auch auf die Studierendenzahlen auswirken – ein Teufelskreis.
Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere aus den Spezifika des Lehramtsstudiums: Die Koordination des Studiums zweier oder mehr Fachwissenschaften sowie Bildungswissenschaft und Fachdidaktik ist schwierig, insbesondere, wenn diese sich über mehrere Fakultäten erstrecken. Zeitliche Überschneidungen von Lehrveranstaltungen lassen sich dann oftmals nicht verhindern.
Wie ließen sich Abbruchquoten verringern?
Auch für den Erfolg im Physikstudium selbst ist das zweite Fach entscheidend: Die mathematischen Voraussetzungen in den Fachvorlesungen sind für Studierende mit einem anderen Zweitfach als Mathematik häufig nicht erfüllbar. Vermutlich mit ein Grund, warum sich mehr als die Hälfte der Lehramtsstudierenden für diese Fächerkombination entscheidet.
Bedenklich ist vor allem die hohe Abbruchquote im Lehramtsstudium Physik. Die befragten Studierenden fordern mehr lehramtsspezifische Angebote, mehr Unterrichtspraxis sowie mehr Schulbezug in den Fachvorlesungen. Dazu seien unter anderem mehr schulrelevante Inhalte und eine bessere Verzahnung von Didaktik und Fachphysik notwendig. Diese Forderungen decken sich mit den Vorschlägen aus den Fachbereichen zur Verbesserung des Studiums.
Lösungsansätze in Freiburg: Die School of Education FACE
Am Standort Freiburg versucht die School of Education FACE seit ihrer Gründung 2018 viele dieser Aspekte zu optimieren. Insbesondere die Professionsorientierung, also die Integration schulisch relevanter Inhalte in das Curriculum sowie die Kohärenz, also die Verzahnung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften sowie der Theorie- und Praxisphasen, stehen hier im Fokus. Elemente, die in der Studie an mehreren Stellen erwähnt und sowohl von Studierenden als auch Vertreter*innen der Fachbereiche gefordert werden.
Weitere Informationen
Die vollständige Studie sowie weitere Informationen gibt es auf der Website der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Andreas Woitzik ist Doktorand am Lehrstuhl für Quantenoptik und -statistik an der Fakultät für Mathematik und Physik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und außerdem wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Lehrentwicklungsprojekt der Professionsorientierten Fachwissenschaft im Rahmen der School of Education FACE, wo er gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Filk eine lehramtsspezifische Fachphysikvorlesung entwirft. An der Studie war er als Autor beteiligt.
Prof. Dr. Thomas Filk ist außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Mathematik und Physik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er erhielt zusammen mit seinen beiden Mitarbeiter*innen Clara Fuchs und Andreas Woitzik 2021 den Universitätslehrpreis für seine lehramtsspezifische Vorlesung „Kompakte Fortgeschrittene Theoretische Physik“. Seit Juni 2022 ist er Inhaber der Seniorprofessur der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für innovative Ausbildungskonzepte im Fach Physik. Er war Mitglied der Beratungsgruppe der Studie.