Tim Lucas: Rund um das Theater Freiburg – vom Kulturauftrag bis zum Marketing

Praxiskolleg Ringvorlesung WS 19/20 „Theater und Schule“ am 06.02.2020

Das Theater Freiburg aus verschiedenen Perspektiven – Referent Tim Lucas führte an diesem Abend die Zuhörenden durch die Welt des Freiburger Theaters: Über die Geschichte des Mehrspartenhauses und seine Organisationsstrukturen, den gesellschaftlichen Auftrag und seine Gültigkeit bis hin zu aktuellen künstlerischen Fragestellungen und Arbeitsprozessen der jetzigen Intendanz wurde das Theater Freiburg vorgestellt. Ein Schwerpunkt des Vortrags lag dabei in der Beantwortung der Frage, wie das „analoge“ Stadttheater im Zeitalter der Digitalisierung vermittelt werden kann.

Was passiert hinter der Bühne?

Diese Frage versuchte Tim Lucas, der Leiter der Presse, Marketing und Kommunikation des Freiburger Theaters, zu beantworten. Das Theater Freiburg ist eine große Institution mit etwa 400 Mitarbeiter*innen, fast zweihunderttausend Besucher*innen pro Jahr und einem unglaublich reichen Kulturangebot als Mehrspartenhaus. Als Besucher*in erfährt man fast nichts von der organisatorischen Leistung, die hinter den Veranstaltungen steckt, dem Marketing und den wirtschaftlichen Aspekten, der Nachfrage und den Reaktionen auf das Programm – über eben diese unbeleuchteten Themen berichtete Tim Lucas.

Wie ist das Freiburger Theater dahin gekommen, wo es heute ist?

Seit 1770 wurden verschiedenste Locations in Freiburg für Theaterauftritte benutzt, u.a. das Bertold-Gymnasium und das alte Kornhaus, bis zu Beginn des 20. Jh. der Bau des Stadttheaters begann, welches am 8. Oktober 1910 mit einer Aufführung von Lessings „Emilia Galotti“ eröffnet wurde. Während dem ersten und zweiten Weltkrieg erlitt der Theaterbau starke Schäden, und wurde teilweise geschlossen, öffnete aber 1944 mit einer Aufführung von Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ und ist seitdem permanent für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit 2005 ist das Theater Freiburg ein Eigenbetrieb und kein Stadttheater mehr, erklärte Tim Lucas. Als Eigenbetrieb hat das Theater Freiburg einen eigenen Wirtschaftsplan und verfolgt als Zweck die Förderung der Künste und die Unterhaltung, und den Betrieb der Einrichtung sowie sonstige kulturelle und soziale Beteiligungen.

Referent

Tim Lucas hat an der LMU Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft studiert. Als Regisseur hat er u. a. an der Schule Schloss Salem, am Salem International College, Düsseldorfer Schauspielhaus und zuletzt bei der EXPO MILANO 2015 inszeniert. In den Jahren 2011 bis 2014 war er als parlamentarischer Berater für Kultur- und Medienpolitik im Bayerischen Landtag tätig. 2014 bis 2017 hatte er die Leitung Presse & Kommunikation am Theater Oberhausen inne, seit 2017 die Leitung Presse, Marketing & Kommunikation am Theater Freiburg.

Was hat das Theater für die Stadt zu tun?

Mit dieser Frage eröffnete Lucas die Frage nach dem künstlerichen und kulturpolitischen Auftrag des Freiburger Theaters. Mit Musiktheater, Oper, Musical, Tanz, Schauspiel, dem jungen Theater, Diskurssparten, der Kleinkunstbühne mit Theaterbar und Konzerten ist das Theater Freiburg ein Mehrspartenhaus, das eine Vielfalt an kulturellen Ereignissen anbietet – mit über 45 Premieren und 700 Veranstaltungen pro Jahr ist das mit viel Organisation und Planung verbunden. Weiterhin erklärte Tim Lucas, dass dem Theater Ziele gesetzt werden, nach denen es sich richten sollte, so wird das Theater Freiburg als „großes Theater“ im Dreiländereck eine Anlaufstelle für den lokalen, regionalen und transnationalen Kulturaustausch, den das Theater unterstützen und fördern möchte, nach gefragter und geforderter Ausrichtung. Tim Lucas wies daraufhin, dass das Theater Freiburg sich nach der Nachfrage der Besucher richten kann und auch möchte, um weiterhin ein kultureller Treffpunkt zu sein und den kulturellen Austausch zu fördern.

Der neue Auftritt des Theaters

Mit einem neuen Intendanten des Theaters erhält das Theater ebenfalls einen neuen Auftritt. Der Referent skizzierte, dass eine neue Intendanz eine Gelegenheit sei, um alte Strukturen z.B. in der Technik, Darstellungsform und Promotion zu überholen und dem Theater eine neue Ausrichtung zu geben. Laut Tim Lucas ist ein „Neustart“ ab und an wichtig, da das Theater sonst „zu einer Behörde werden könnte. Das wäre künstlerischer Tod.“ Aber nicht nur zum Intendantenwechsel, sondern permanent arbeitet das Theater Freiburg an seiner Medienpräsenz, natürlich klassisch in den Printmedien, aber auch mit Online-Newslettern, Social Media und E-Magazinen, im Radio und Fernsehen, mit Reichweite ins Elsass und die Schweiz präsentiert sich das Theater Freiburg. Die Repräsentationen seien, so Tim Lucas, teilweise spartenübergreifend und umfassend, teilweise spartenspezifisch und zielgruppengerichtet gestaltet.

Im Anschluss blieb im Auditorium die Frage offen, wer entscheidet, was auf der Bühne gespielt wird, worauf hin Tim Lucas antwortete, dass ein Team aus Dramaturg*innen und dem Intendanten Ideen brächte, aber auch den Schauspieler*innen selbst Entscheidungsfreiraum gegeben würde, so dass eine Produktion keine Einzelentscheidung, sondern das Endprodukt eines Gemeinschaftsentscheids sei. Weiterhin stand die Frage im Raum, inwieweit der Erfolg einer Intendantin bzw. eines Intendanten bemessen würde, was Tim Lucas anhand von verschiedenen Kriterien beantwortete. Einerseits müssen die Vorgaben der Stadt nach den Zuschauer*innenzahlen erfüllt werden, andererseits setzt sich das Theater (und die Intendantin bzw. der Intendant) selbst das Ziel neue Inhalte zu zeigen und zu präsentieren.

(Isabel Künsting)

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