Wie die Schulpraxis meinen Blick auf das System Schule verändert hat
FACE it – Lehramtsstudierende bloggen über ihr Studium in Freiburg
Den “Unterrichtsplan fast krampfhaft umklammernd” tritt Karima Zauner, Studentin im Master of Education (Universität) im Schulpraxissemester das erste Mal vor eine Klasse. Nachdem die erste Stunde “wie im Flug” vergangen ist, findet sie sich in den folgenden 12 Wochen “langsam aber sicher in der Rolle der aktiven Lehrkraft zurecht” und lernt “nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch den Lehrbetrieb der Schule als Ganzes” kennen. Dabei stößt sie auf viele Facetten des Lehrberufs, die man nur “hautnah an der Schule in der Praxis erleben” kann.
Montag, 8:00 Uhr an einem Freiburger Gymnasium. Ich schnappe mir meinen Stuhl zum Hospitieren, die Sechstklässler, die mich in der Zwischenzeit liebgewonnen haben, grüßen mich müde, aber freundlich. Ich schließe die Tür, setze mich in die hintere Ecke des Klassenzimmers und warte, bis ein kollektives „Good morning“ der Klasse den Unterricht eröffnet. Nach dem Beobachten des Unterrichts geht es daran, meinen eigenen zu planen. Leicht nervös setze ich mich mit meiner Ausbildungslehrerin, die mich für die nächsten 12 Wochen unter ihre Fittiche nehmen wird, an einen Tisch im Lehrerzimmer. Gemeinsam entwickeln wir einen Unterrichtsplan und ich staune, wie viele Details man dabei beachten muss: Von der Raumaufteilung, über die Art und Weise wie Schülerinnen und Schüler agieren, bis hin zu ganz simplen Problemen: Kann man meine Schrift lesen? Meine Stimmlautstärke verstehen? Stehe ich aufrecht? Wie nehmen Schülerinnen und Schüler mich wahr? Eine Woche später, den Unterrichtsplan fast krampfhaft umklammernd, trete ich schnellen Schrittes vor die sechste Klasse, meine Ausbildungslehrerin schließt die Tür und… „Good morning everybody!“
In den ersten fünf Minuten meiner ersten Unterrichtsstunde schwitze ich innerlich wie äußerlich, versuche jedoch, mir das nicht anmerken zu lassen. Die Stunde vergeht wie im Flug, und ich finde mich langsam aber sicher in der Rolle der aktiven Lehrkraft zurecht. Ich ermuntere die Kinder, sich trotz der frühen Uhrzeit am Unterricht zu beteiligen. Diese Klasse, wie sie da sehr lebhaft, aber genau deshalb so unglaublich charmant vor mir sitzt, begleite ich im Laufe der nächsten Wochen bei ganz unterschiedlichen Dingen – vom Sezieren einer Honigbiene im Biologieunterricht bis zur Aufführung eines Theaterstücks. Ich darf in ganz unterschiedlichen Bereichen mitarbeiten und so erstmals nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch den Lehrbetrieb der Schule als Ganzes kennenlernen.
Während dieser Zeit denke ich oft an meine Erfahrungen im Orientierungspraktikum zurück – dieser winzig kleine Zeitraum, in dem ich einerseits versuchte, Unterrichten und Schule als komplexes System zu durchschauen, mich andererseits aber auch bemüht habe, mit Schülerinnen und Schülern persönliche Beziehungen aufzubauen. Die Wichtigkeit der Personalisierung von Unterricht wird mir erst im Laufe des Schulpraxissemesters bewusst. Routinierte Lehrkräfte fragen sich oft, welchen Einfluss ihr Unterricht bzw. ihre Persönlichkeit im Allgemeinen auf Kinder und Jugendliche hat. Doch meiner Meinung nach fragt man viel zu selten, wen genau man da eigentlich mit seinem Unterricht beeinflusst. Die Hintergründe und Persönlichkeiten hinter dem, was man als Lehrkraft als „die Klasse“ wahrnimmt, zu begreifen, ist wohl viel anspruchsvoller als die Tätigkeit des Unterrichtens an sich. Sachverhalte dieser Art kommen in der universitären Perspektive auf Schule zwar vor, gehen aber aufgrund anderer Inhalte fachlicher Natur leider oft unter.
Es wird viel geforscht zum Thema Lehren, wobei der Beruf der Lehrkraft aus verschiedensten Perspektiven beleuchtet wird. Sich auf theoretischer Ebene mit dem Lehren auseinanderzusetzen ist – besonders für jemanden, der/die nicht auf über Jahre angesammeltes Routinewissen zurückgreifen kann – durchaus sinnvoll. Dennoch kann es die vielen wertvollen Erfahrungen, die ich im Laufe meines Praxissemesters sammeln darf, nur ergänzen. Oft sind diese Erfahrungen ganz alltäglicher Natur: „Wie lange braucht ein Sechstklässler, um einen Satz von der Tafel abzuschreiben?“ „Wie stelle ich fest, ob meine Arbeitsanweisungen verstanden wurden?“ Oder ganz simpel: „Wie geht es meiner Klasse gerade?“ So simpel und alltäglich diese Dinge auch erscheinen mögen, sind es gerade diese Facetten, die ich nicht an der Universität in der Theorie, sondern hautnah an der Schule in der Praxis erleben darf. Die Schule als Ort der Unterrichtspraxis stellt mich so jeden Tag vor neue Herausforderungen, an denen ich wachse und für die ich als herangehende Lehrkraft nur dankbar sein kann. Denn früh übt sich, wer ein Meister werden will.
Karima Zauner
2. Fachsemester, Master of Education (Universität)
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