Projekt- und Arbeitstreffen der School of Education FACE 2022

Nachdem in den letzten beiden Jahren coronabedingt keine größeren Versammlungen möglich waren, gab es in diesem Jahr erstmals wieder die Möglichkeit, sich im großen Rahmen auszutauschen. Die wurde beim Projekt- und Arbeitstreffen der School nicht nur von den Mitarbeiter*innen aus den (Teil-)Projekten rege genutzt. Auch Gremienmitglieder und weitere Angehörige der beteiligten Hochschulen, die nicht unmittelbar in der School angesiedelt sind, an der Weiterentwicklung der Lehrer*innenbildung am Standort Freiburg aber maßgeblich mitwirken, folgten der Einladung.

Einführung durch den Geschäftsführenden Direktor der School, Herrn Prof. Dr. Jörg Wittwer

Fast 50 Mitarbeiter*innen von Universität, Pädagogischer Hochschule und Hochschule für Musik waren der Einladung der School zum großen Arbeitstreffen an der Pädagogischen Hochschule im Freiburger Osten gefolgt.

Grußworte

Zunächst begrüßte der Rektor der Pädagogischen Hochschule, Herr Prof. Dr. Hans-Georg Kotthoff, die Anwesenden und rekapitulierte die Entstehungsgeschichte der School. Als Geschäftsführender Direktor der School von Oktober 2018 bis Oktober 2021 gestaltete er den Aufbau maßgeblich mit.

Sodann ergriff Herr Prof. Dr. Michael Schwarze, Prorektor für Studium und Lehre an der Universität und Teil der Projektleitung der QLB-Projekte, das Wort und ging auf die Herausforderungen ein, die die Verstetigung der geschaffenen Strukturen mit sich bringen. Mit der dauerhaften Verankerung der School  an den Hochschulen und dem gleichzeitigen Ende der großen QLB-Förderprojekte stelle sich die Frage nach der weiteren strategischen Ausrichtung und dem zukünftigen Aufgabenprofil der Einrichtung. Ein Gedanke, der im weiteren Verlauf des Treffens noch eine große Rolle spielte.

Die inhaltliche Einführung in das Treffen übernahm schließlich der Geschäftsführende Direktor der School, Herr Prof. Dr. Jörg Wittwer. Er dankte den beiden Rednern, anschließend stellte er das Programm vor und kündigte die Vorstellung des Forschungs- und Nachwuchskolleg zum Thema „Didaktik des digitalen Unterrichts: Digital gestützte Lehr-Lernsettings zur kognitiven Aktivierung (Di.ge.LL)” durch Prof. Dr. Frank Reinhold an.

Das Di.ge.LL erforscht digital unterstützte Lehr-Lernsettings

In seiner Präsentation ging Prof. Dr. Reinhold auf Ziele, Forschungsfragen und Herausforderungen des Forschungskollegs ein und stellte exemplarisch drei Teilprojekte vor. Das Kolleg, so Reinhold, generiere qualitativ hochwertige digital unterstützte Lehr-Lernsettings und untersuche die durch diese Settings angeregten lernförderlichen kognitiven Aktivitäten. Dabei stehe die kognitive Aktivierung in Phasen der Erarbeitung neuer Inhalte im Fokus. Unterricht werde im Rahmen des Kollegs als Angebots-Nutzungs-Situation verstanden, die Annahme der Lernangebote der Lehrenden durch die Lernenden sei also von essenzieller Bedeutung für seinen Erfolg.

Die Forschung im Kolleg

Führen unterschiedliche kognitive Aktivitäten zu unterschiedlichen Lernerfolgen? Haben unterschiedlich gestaltete digitale Tools verschiedene Wirkungen auf den Lernerfolg? Und lassen sich bestimmte kognitive Aktivitäten mit unterschiedlichen Versionen digitaler Tools stimulieren? Das sind nur einige Fragen, die das Forschungskolleg mit seiner Arbeit zu klären versucht.

Eine große Herausforderung sei es dabei, die Schülerkognition überhaupt angemessen zu erfassen. Das Kolleg bediene sich dafür der Logfile- und Prozessdatenanalyse, gehe dabei aber neue Wege: Während der Fokus bislang hauptsächlich auf quantitativen Beobachtungsmaßnahmen gelegen habe, versuche man sich im Kolleg hingegen an einer fachdidaktischen Deutung einzelner Student-Tool-Interaktionen als Indikatoren für kognitive Prozesse. Hierzu würden Prozessdaten kontinuierlich beim Lernen erfasst.

Literarische Figuren, Lerntagebücher und mathematisches Verständnis – Drei Beispiele

Abschließend stellte Prof. Dr. Reinhold exemplarisch drei Teilprojekte vor: Im Teilprojekt 5 (Figurenverstehen mit narrativen Computerspielen) erforscht Jaron Müller, welche kognitiven Aktivitäten bei der Vermittlung literarischen Figurenverstehens mit einem narrativen Computerspiel stattfinden. Zudem geht es darum, wie der Einsatz von Lerntagebüchern verschiedener medialer Formate (text-, video- oder tonbasiert) die feststellbaren kognitiven Aktivitäten beeinflusst.

Das Teilprojekt 7 (Digitale Lerntagebücher zur Förderung von Verständnis und Lernmotivation) von Florian Luft soll die Forschungsfrage klären, ob unterschiedlich gestaltete digitale Tools verschiedene Wirkungen auf den Lernerfolg haben. Konkret geht es in dem Teilprojekt darum, ob gesprochene Lerntagebücher lernförderlicher sind als geschriebene.

Im Teilprojekt 9 (Brüche als Anteile verstehen mit digitalen Modellierungswerkzeugen) erforscht Rowena Merkel, ob unterschiedliche kognitive Aktivitäten zu unterschiedlichen Lernerfolgen führen. Hierzu stellt sie den Schüler*innen verschieden gestaltete digitale Lernumgebungen zur Verfügung, in denen diese vorgegebene Mengenverhältnisse mit virtuellen Papierstreifen nachstellen sollen, die sich per Mausklick in verschiedene Längen teilen lassen.

 

Projekte in einer Minute – Pitches und Postersession

Nach einer kurzen Pause waren die Projektmitarbeiter*innen gefragt. In einminütigen Pitches stellten Sie Ihre (Teil-)Projekte vor und legten so die Basis für die sich anschließende Postersession. Ausgestattet mit Kaffee und Kuchen konnten sich die Anwesenden über die vielfältige Arbeit in der School informieren und mit den Kolleg*innen der drei Hochschulen ins Gespräch kommen, diskutieren und sich austauschen.

Von der Projekt- in die Grundfinanzierung – Verstetigung der School of Education FACE

Im Anschluss stellte Prof. Dr. Wittwer die geplante Überführung der School of Education FACE in die Grundfinanzierung vor. Die Lehrer*innenbildung, so Wittwer, sehe sich mit einer Reihe von Herausforderungen wie Diversity, Digitalität, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Inklusion konfrontiert.

Um diesen adäquat begegnen zu können, bedürfe es einer guten Abstimmung in der School und einer angemessenen Finanzierung. Letztere speise sich voraussichtlich ab 2024 aus zwei Töpfen: Zum einen aus der Grundausstattung, die das Land allen Schools zur Verfügung stellen wird. Zum anderen aus kompetitiv vergebenen Mitteln, die Schools durch eine besonders gelungene Profilierung erhalten können.

Evidenzorientierung in der Lehrer*innenbildung

Am Standort Freiburg geht man mit dem Thema “Evidenzorientierung” ins Rennen um die zusätzlichen Mittel. Ziel sei es, so Wittwer, Lehrkräfte wissenschaftsbasiert auszubilden und so den vorhandenen Mythen und Fehlvorstellungen bei Lehrkräften entgegenzuwirken.

So meinten beispielsweise 93% der an einer Studie teilnehmenden Lehrkräfte, dass Schüler*innen besser lernen würden, wenn Informationen in deren bevorzugtem Lernstil (z.B. visuelle Informationen für visuell Lernende) aufbereitet würden. Hierfür gebe es allerdings keinerlei Belege aus der Forschung.

Besserer Unterricht durch Evidenzorientierung

Eine explizit evidenzorientierte Lehrer*innenbildung könne effizienzsteigernd wirken, indem keine Zeit mit unnötigen Lernstildiagnosen oder der Erstellung von nicht effektivem individualisiertem Lernmaterial verschwendet werde.

Zudem könne eine noch stärkere Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse das Handeln der Lehrkräfte im Hinblick auf tatsächlich effektive Lernstrategien unterstützen. Dies stärke das Kompetenzerleben bei Lehrkräften, vermeide unwirksames oder gar schädliches Handeln und garantiere so letztlich eine bestmögliche Bildung für Schülerinnen und Schüler.

Evidenzorientierung bei Lehrkräften schwach ausgeprägt

Eine große Herausforderung sei es, so Wittwer, die Lehrkräfte von den Vorteilen der Evidenzorientierung zu überzeugen. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden für das Unterrichtshandeln selten berücksichtigt, eigenen Erfahrungen und Erfahrungen von Kolleg*innen werde ein sehr viel höherer Wert zugesprochen. So wurde beispielsweise von Studienteilnehmer*innen eine Information als nützlicher bewertet, wenn sie von Kolleg*innen und nicht aus der Forschung stammte.

Die Gründe hierfür sieht Wittwer sowohl bei den Lehrkräften und Schulen, als auch bei der Dissemination der Forschungsergebnisse. Bei den Lehrkräften sei Zeit ein knappes Gut, zudem fehlten ihnen zum Teil die Fähigkeiten, wissenschaftliche Studien zu rezipieren. Auch dysfunktionale Überzeugungen über den Nutzen wissenschaftlicher Erkenntnisse seien weit verbreitet. An den Schulen fehlten die Ressourcen und Strukturen, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Lehrkräfte aufzubereiten, zudem gebe es keine Anreize für eine stärkere Evidenzorientierung.

Schließlich sei auch die Dissemination der Forschungsergebnisse selbst oft schon problematisch. Die Lesbarkeit sei für Nicht-Wissenschaftler oft schlecht, die Relevanz für die Praxis werde selten herausgestellt. Auch seien statistische Angaben für Lehrkräfte oft schwer einzuschätzen und Abbildungen nicht auf den ersten Blick verständlich.

Zukunftsvorhaben Evidenzorientierung

Die School of Education FACE, so Wittwer, wolle evidenzorientiertes Handeln von Lehrkräften daher zukünftig auf drei Ebenen fördern. So sollen wissenschaftliche Erkenntnisse durch Lehrkräftebildung in den Schulalltag gelangen. Zudem müsse die Dissemination kritisch geprüft und, wo möglich, optimiert werden. Und schließlich sei die erfolgreiche Implementation an den Schulen entscheidend. Inhaltliche Schwerpunkte könnten dabei durch Themen wie Digitalisierung, Umgang mit Heterogenität oder auch dem Umgang mit Fake News gesetzt werden.

Auf Ebene der Lehrkräftebildung sollen innovative Lehrmodule etabliert werden, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse interdisziplinär (fachwissenschaftlich, bildungswissenschaftlich und fachdidaktisch) unter Nutzung des 4C/ID-Modells vermittelt werden. Diese Lehrmodule sollen an Core Practices ausgerichtet werden und in allen drei Phasen der Lehrer*innenbildung (Studium, Vorbereitungsdienst und Weiterbildung) zum Einsatz kommen.

Auf Ebene der Dissemination könnte mit verschiedenen Textgenres experimentiert und wissenschaftliche Veröffentlichungen beispielsweise um Fallballspiele und Erzählungen von Lehrkräften angereichert werden. Auch könnte empirische Evidenz anhand von praxisnahen Vergleichsgrößen eingeordnet werden (“Mit der Methode hat man einen Lernzugewinn von zwei Monaten” vs. “Der Lernzuwachs ist mit der Methode erhöht, d = 0.35”).

Auf Ebene der Implementation solle schließlich untersucht werden, wie Evidenzorientierung an Schulen umgesetzt werden kann. Schrittweise werde dabei zunächst ein gemeinsames Problemverständnis unter Berücksichtigung der Expertise aller Gruppen aufgebaut und Maßnahmen festgelegt (Exploration). Anschließend werden hemmende und fördernde Faktoren für die Implementierung einer Maßnahme identifiziert (Installation). Nach der Umsetzung der Maßnahme und Untersuchung der Umsetzungstreue (erstmalige Implementierung) folge dann eine abschließende Überprüfung der Wirksamkeit (vollständige Implementierung).

Für die Umsetzung des Forschungsvorhabens seien derzeit fünf Stellen vorgesehen: eine Post-Doc-Stelle aus den Bildungswissenschaften in Leitungsfunktion sowie vier Doc-Stellen aus den Fachwissenschaften, Bildungswissenschaften sowie den Fachdidaktiken. Die genaue Verteilung werde dann bei der konkreten Planung festgelegt.

Strategische Ausrichtung der Handlungsfelder

Nach einer weiteren Pause stand der letzte Programmpunkt an. Die Geschäftsführerin der School, Rieke Kersting, rekapitulierte das letzte Arbeitstreffen, das im November 2019 stattgefunden hatte, und bat die Anwesenden, die damals erarbeiteten Ziele und Maßnahmen in Arbeitsgruppen kritisch zu prüfen und zu aktualisieren – auch unter dem Gesichtspunkt der Evidenzorientierung. Die Ziele sollten SMART formuliert werden, d. h. spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Die gebildeten Gruppen spiegelten die Handlungsfelder der School wider (Studium & Lehre, Bildungs- & Unterrichtsforschung, Praxisvernetzung & Weiterbildung, Studierendenberatung & -unterstützung sowie Internationalisierung). Nach 90 Minuten trafen sich dann alle wieder im Veranstaltungsraum, um anhand der auf Flipcharts festgehaltenen Gruppenarbeit gemeinsam die erarbeiteten Ziele und Maßnahmen zu diskutieren.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden derzeit noch aufbereitet und werden dann in die strategische Weiterentwicklung der einzelnen Handlungsfelder einfließen.

Abschließend dankte Prof. Dr. Wittwer allen, die sich die Zeit für das Treffen genommen hatte und dankte ihnen für den konstruktiven Austausch, die vielen Ideen und die regen Diskussionen. Er zeigte sich zuversichtlich, den eingeschlagenen Weg insbesondere mit Hilfe der erarbeiteten Ergebnisse erfolgreich weiterführen zu können.