Seit dem Wintersemester 2017/18 gibt es ein Service Learning-Angebot am Zentrum für Schlüsselqualifikationen (ZfS) der Universität Freiburg. Begonnen wurde mit dem Einsatzfeld „Migration/Interkulturalität“, nach erfolgreicher Pilotphase kamen sukzessive die Einsatzfelder „Nachhaltigkeit, Umwelt und Life Sciences“ sowie „Demokratiebildung“ und „Digitalisierung“ hinzu. Von Beginn an waren die im Rahmen des Lehramtsstudiums angebotenen Seminare „Verantwortung in der Zivilgesellschaft“ und eine gemeinsame Reflexionsveranstaltung für die Studierenden konstitutiver Bestandteil des Service Learning Formats. Lehramtsstudierende erarbeiten sich zentrale ethische Fragestellungen entlang der Themen der Einsatzfelder und erwerben die Expertise, mit den Service Learning-Studierenden bei der gemeinsamen Abschlussveranstaltung in einen fruchtbaren Austausch zu treten.
Lehrer und Lehrerinnen sind in ihrem beruflichen Handeln unmittelbar mit Verantwortungsfragen konfrontiert. Berufsethische Fragen querschnittlicher Art stellen sich beim Umgang mit (neuen) Medien, bei Themen wie Interkulturalität und Diversität, Bildung zur Demokratie, Bildung zur nachhaltigen Entwicklung und anderem mehr. Dem Studium fällt die Aufgabe zu, die Studierenden für Verantwortungsfragen in ihrem künftigen Berufsfeld zu sensibilisieren und sie zu befähigen, künftig Schüler*innen zu Autonomie und Mündigkeit zu erziehen, mit dem Ziel, dass diese staatsbürgerliche Verantwortung übernehmen.
Service Learning kann mit Lernen durch gesellschaftliches Engagement übersetzt werden. Service steht für das ehrenamtliche Engagement in einer Initiative oder einem Projekt, Learning für die Rückbindung an akademisches Lernen durch Begleitveranstaltungen wie Workshops und theoriegeleitete Reflexion. Zivilgesellschaftliches Engagement setzt immer auch Vorstellungen von einem guten Leben voraus, für das man sich einsetzt und von Gerechtigkeit. Freiwillige in Initiativen und Vereinen bringen dabei ihre Werthaltungen mit und reflektieren diese im Lernprozess.
Es liegt deshalb nahe, beide Ansätze miteinander zu verzahnen. Die Kooperation von Lehrer*innenbildung und Service Learning an der Universität Freiburg stellt einen Gewinn für alle Seiten dar, sie soll zukünftig auch Lehrkräften des Hochschulnetzwerks zugänglich gemacht werden.
Gegenwärtig wird das Service Learning-Angebot regelmäßig von 35 bis 50 Studierenden pro Semester wahrgenommen. Gesellschaftliches Engagement ist in den vier Einsatzfeldern Interkulturalität & Migration, Nachhaltigkeit, Umwelt & Life Sciences, Digitalisierung und Demokratiebildung möglich. Die Rahmung des Lernens durch gesellschaftliches Engagement bilden Workshops, Kleingruppensupervisionen und die ethische Reflexion, die durch die Seminare „Verantwortung in der Zivilgesellschaft“ (20-40 Studierende) gewährleistet wird.
Vom University College Freiburg wurde das Programm WiTeGe (Wissenschaft-Technik-Gesellschaft) aufgelegt, in dem Veranstaltungen mit wissenschaftstheoretischer Thematik angeboten werden (ca. 20 Studierende).
Bereits in der Auftaktveranstaltung am Beginn des Semesters werden die Studierenden des Service Learning mit ethischen Fragestellungen vertraut gemacht, mit denen sie in ihrem Engagement – potentiell – konfrontiert sind. Hierbei eröffnen Leitfragen den Weg zur Reflexion.
In den Seminaren „Verantwortung in der Zivilgesellschaft“ erarbeiten sich die Lehramtsstudierenden zentrale ethische Fragestellungen entlang der Themen der Einsatzfelder. Im Themenfeld Geflüchtete/Integration diskutieren sie beispielsweise die Bewahrung bzw. Bewehrung von Landesgrenzen aus philosophischer Perspektive oder setzen sich mit Toleranz und den Rechten von Minderheiten auseinander. Im Themenfeld Umwelt und Nachhaltigkeit stehen unter anderem Umwelt- und Klimaethik sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf dem Programm. Die Studierenden erwerben bzw. erweitern so (ihre) ethische Kompetenz, um später selbst entsprechende Fragestellungen in ihrer Unterrichtspraxis identifizieren und bearbeiten zu können.
Mit den Themenfeldern ist zugleich der Anschluss an den Leitfaden Demokratiebildung (LFDB) sowie folgende Leitperspektiven des baden-württembergischen Bildungsplans hergestellt:
- Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
- Medienbildung (MB)
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Die 60 bis 100 Studierenden treffen sich am Ende des Semesters zur gemeinsamen Abschlussveranstaltung. Diese stellt den Rahmen dar, in dem die Studierendengruppen voneinander lernen können. Um eine Diskussion auf gleichermaßen hohem wissenschaftlichen Niveau anzustoßen, werden die übergeordneten Themen durch Vorträge externer Referent*innen eingeführt.
Die Service Learning-Studierenden beschreiben ihr Engagement, ihre Erfahrungen und Reflexionen auf Postern, die den Teilnehmer*innen zugänglich gemacht werden und zu Nachfragen und Diskussionen anregen. Die Studierenden des M. Ed. präsentieren ihre Thesen an Thementischen und haben die Verantwortung für den Verlauf der Diskussion. Die Lehramtsstudierenden stellen ihre theoretischen Kenntnisse, ethische Begrifflichkeit und Argumentationen sowie den Ertrag der Diskussionen aus dem Seminar zur Verfügung. Die SL- und UCF-Studierenden bringen ihre eigenen Erfahrungen ein, sie ergänzen und kommentieren die theoretische Perspektive und/oder fordern sie heraus. So profitieren alle Studierendengruppen von dem Austausch.
Die bestehende Verzahnung zwischen Service Learning und Lehrer*innenbildung bietet schon jetzt viele Vorteile. Lehramtsstudierende werden fundiert in berufsethische Fragen eingeführt, sie festigen ihr Wissen in der Diskussion mit den praxiserprobten Service-Learning-Studierenden und sind so in gesellschaftliche Realität eingebunden. Aus dem Austausch nehmen sie Beispiele für ihren späteren Unterricht mit. An den Thementischen der Abschlusskonferenz schlüpfen sie in die Rolle der Wissensvermittler und gestalten einen Teil des Austauschs, was sie für ihren zukünftigen Beruf stärkt. Darüber hinaus können durch die Einbindung von Schulen/Lehrkräften Potentiale geschaffen und Synergien genutzt werden:
Lehrer*innen – zunächst der Hochschulpartnerschulen – werden eingeladen, an der Abschlusskonferenz teilzunehmen. Sie haben die Möglichkeit, die Präsentationen der SL-Studierenden anzusehen sowie die Vorträge von Expert*innen zu aktuellen ethischen Fragen zu hören und anschließend in einem exklusiven Rahmen mit diesen zu diskutieren. Im Wintersemester 21/22 sind dies:
- „Digitalisierung und Ethik – Die Nutzung von Daten und Künstlicher Intelligenz für demokratische Öffentlichkeiten“ (PD Dr. Jessica Heesen, Universität Tübingen),
- „Interkulturalität und Ethik“ (Prof. Dr. Nausikaa Schirilla, Katholische Hochschule, Freiburg)
- „Nachhaltigkeit und Ethik – Suffizienz am Beispiel der Ernährung“ (Dr. Lieske Voget-Kleschin, Universität Kiel)
Weitere Synergien sind z.B. dass Lehramtsstudierende für bestimmte Themen in den Unterricht eingeladen werden, Teile vorbereiten und Lehrkräfte im Bereich BNE, Toleranz/Diversität etc. unterstützen. Denkbar ist auch die Entwicklung von Unterrichtseinheiten zu ihrem Thema.
Eine Vernetzung des Service Learning-Formats mit Schulen bzw. eine Ergänzung um ein Angebot für Lehrkräfte bietet folgende Vorteile:
- Kohärenz zwischen Lehrkräftebildung und -fortbildung,
(dies kommt auch einem Desiderat von M. Ed.-Studierenden entgegen, an im Seminar „Verantwortung in der Zivilgesellschaft“ behandelte Themen wie Nachhaltigkeit oder Umgang mit digitalen Medien zu einem späteren Zeitpunkt als Lehrer*innen wieder anknüpfen zu können) - Den Hochschulpartnerschulen kann ein attraktives inhaltlich auf aktuelle Themen ausgerichtetes Angebot unterbreitet werden.
- Bedingt durch die Verstetigung des Service Learning an der Universität in der gegebenen Form kann den Schulen das Angebot kontinuierlich und verlässlich gemacht werden.
- Die Schulen profitieren von studentischer Expertise.
- Lehrkräfte bekommen – bei geringem Aufwand – Einblick in aktuelle Diskussionen zu den gesellschaftlichen Herausforderungen als Querschnittsthemen in der Lehrer*innenbildung.