Herausforderndes Verhalten begegnet Lehrkräften fast täglich im Unterricht. Oft bleibt nach einer spontanen Reaktion ein mulmiges Gefühl im Bauch zurück: Habe ich richtig gehandelt? Habe ich zu früh oder zu spät eingegriffen? Habe ich einem Schüler/einer Schülerin Unrecht getan? Wie steht es um meine Autorität als Lehrkraft? Manche Lehrkräfte fühlen sich mit solchen Konflikten alleingelassen und zu wenig auf störendes, provozierendes oder beleidigendes Verhalten vorbereitet.
Die Fortbildung „Umgang mit herausforderndem Verhalten im Unterricht“ der School of Education FACE im Mai und Juni zielte darauf ab, den Teilnehmenden Handlungsalternativen aufzuzeigen, wie sie mit Unterrichtsstörungen angemessen und überlegt umgehen und diesen so gut wie möglich vorbeugen können.
Die Fortbildung richtete sich an Lehrkräfte der Primarstufe und der Sekundarstufe I und umfasste zwei Nachmittage an der Pädagogischen Hochschule Freiburg sowie einen Hospitationstermin an der Mooswaldschule Freiburg. Die Referenten Karl-Heinz Müller und Axel Comes – ehemaliger und aktueller Schulleiter des sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums Mooswaldschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung – sind erfahrene Sonderpädagogen. Karl-Heinz Müller hat die Fortbildung bereits mehrfach angeboten und übergibt den Stab nun an seinen Nachfolger.
Beim ersten Fortbildungstermin erhielten die Teilnehmenden konkrete und erprobte Beispiele, wie sie Verhaltensproblemen im Unterricht vorbeugen und auf diese reagieren können. Zunächst reflektierten sie für sich und in Gruppen, welches Schülerverhalten sie als herausfordernd erleben und wie sie bisher damit umgegangen sind. Die Referenten zeigten Möglichkeiten zur Prävention auf: Es gehe darum, den Unterricht so zu strukturieren, dass das Konfliktpotential von vornherein möglichst gering ist. Die Lehrkräfte sollten sich in der Fähigkeit üben, die Stimmung der Klasse zu erkennen, diese anzusprechen, Lösungen vorzuschlagen sowie auch die eigene innere Befindlichkeit authentisch nach Außen darzustellen. Konzentrations- und Lernhilfen können ebenfalls störendes Verhalten vorbeugen.
Ist es dennoch zu unakzeptablem Verhalten eines Schülers/einer Schülerin gekommen, darf eine angemessene Konsequenz nicht ausbleiben. Dabei ist zu beachten – so die Referenten – dass diese dem regelwidrigen Verhalten logisch folgt und sinnvoll erscheint. Konsequenzen müssen auch keinesfalls unmittelbar auf das Fehlverhalten folgen. Stattdessen kann man als Lehrkraft ankündigen, dass eine Konsequenz folgen wird – welche das sein wird, überlege man sich noch. Das hat den Vorteil, sich z.B. mit Kolleg*innen besprechen und weitere Hilfsangebote in Anspruch nehmen zu können. Wichtig ist, dass das Angekündigte auch umgesetzt wird.
Außerdem beschäftigte sich die Fortbildungsgruppe mit Grundprinzipien des Unterrichts bei Schüler*innen mit emotional-sozialem Förderbedarf. Diese Prinzipien gelten im Grunde genommen für alle Schüler*innen – bei jenen mit besonderem Förderbedarf jedoch in ausgeprägter Weise. Zu den Prinzipien gehört z.B. den Schüler*innen Geborgenheit und Halt zu gewähren und sie zu bestärken und zu ermutigen. Weiterhin gehört dazu, Regeln, Ordnungen und Rituale zu etablieren und Unterrichtsmethoden flexibel einzusetzen. Die Aufgabe der Teilnehmenden bestand darin, die Impulse der Referenten auf ihren Unterricht und ihre Schulklassen zu beziehen. Sie diskutierten die vorgestellten Handlungsmöglichkeiten und empfanden diese als hilfreich, auch wenn die Umsetzung einiger Maßnahmen an Regelschulen als schwierig erschien. Denn z.T. fehlt es an unterstützenden Strukturen, wie die enge Zusammenarbeit in Lehrerteams, mit der Schulsozialarbeit oder den Schulpsycholog*innen. Einige der vorgestellten Maßnahmen und Prinzipien, z.B. der wertschätzende ermutigende Umgang, wurden in der Gruppe erprobt.
Beim zweiten Termin vermittelten die Referenten weitere sonderpädagogische Denkstrukturen, wie z.B. die prospektive Perspektive. Dabei wird das Verhalten der Schüler*innen dahingehend beurteilt und besprochen, inwiefern es einem festgelegten Ziel dienlich oder hinderlich ist. Anstatt die Schüler*innen über ihr Fehlverhalten zu beurteilen, wird ihr Potential betrachtet: „Du kannst das auch anders, du kannst viel mehr“. Die Teilnehmenden lernten zudem die Methode des Reframings von Unterrichtssituationen kennen: Ist ein Schüler, der sich immer wieder ablenken lässt, vielleicht nicht desinteressiert am Unterricht, sondern eigentlich sehr aufmerksam und vielfältig interessiert? Ist eine Schülerin vielleicht deswegen so aggressiv, weil sie gerade Ungerechtigkeit erlebt, gegen die sie sich sträubt? Außerdem erhielten die Teilnehmenden einen Leitfaden, anhand dessen sie Verhaltensauffälligkeiten beobachten und analysieren können. Es ist wichtig, Verhaltensauffälligkeiten auf mehreren Ebenen zu reflektieren: Inwiefern trage ich selbst als Lehrkraft dazu bei? Welchen Anteil tragen die unterrichtlichen, interaktionellen, schulorganisatorischen oder situativen Bedingungen?
Auf Wunsch der Teilnehmenden griffen die Referenten abschließend das Thema „Bewusstmachung der eigenen Psychohygiene“ auf. Die Teilnehmenden reflektierten, welche Situationen und Umstände sie schnell an psychische Belastungsgrenzen bringen und lernten Strategien kennen, wie sie ihre psychische Gesundheit vorbeugend schützen können.
Der dritte Fortbildungstermin war eine Hospitation in der Mooswaldschule. Die Teilnehmenden trafen sich vor Ort und erhielten zunächst eine kurze Einführung in die verschiedenen Abteilungen der Schule. Aufgeteilt in Lerngruppen hospitierten sie für eine Doppelstunde in verschiedenen Klassen. Im Anschluss reflektierten sie das Gesehene und Erlebte, tauschten sich darüber aus und stellten Rückfragen an die Referenten. Nach einem letzten Input zum Auftrag und der Arbeitsweise des Sonderpädagogischen Dienstes endete die Fortbildung mit einer Feedback-Runde.
Aliena Kempf und Beate Epting
Aus der Evaluation:
„Es gab viele praxisnahe Beispiele, die zeigen, wie man als Lehrkraft gut mit Konflikten umgeht.“
„Ich habe vor, meinen Unterricht in Zukunft stärker zu ritualisieren und den verbindlichen Rahmen gleichzeitig flexibel zu gestalten.“
„Es war schön, von Fachleuten fundiert aus ihrem Berufsalltag berichtet zu bekommen. Die Hospitation war sehr wertvoll.“
„Ich denke, in Zukunft werde ich die Schüler*innen mehr ernst nehmen und Reflexionen und Feedback am Stundenende durchführen.“