Die Herbsttagung „Deutsch für alle“ des Instituts für deutsche Sprache und Literatur der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Rahmen der School of Education FACE fand im letzten Jahr zum ersten Mal und online statt. Nachdem die Veranstaltung 2020 Corona-bedingt abgesagt werden musste, freuten wir uns über die insgesamt 130 Teilnehmenden, die zum dialogischen Hauptvortrag und zu den acht Workshops im digitalen Raum zusammenkamen.
Die Fortbildungstagung widmete sich über einen Zeitraum von 7 Wochen im Oktober und November 2021 dem Schwerpunktthema „Sprache im Fach“. Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung, in ihrem Unterricht differenziert mit Sprache umzugehen: Wie kann man fachliche und sprachliche Ziele miteinander verbinden, professionell Vorlesen oder binnendifferenzierte Aufgaben konzipieren? Eingeladen waren in erster Linie Lehrkräfte des Faches Deutsch der Primar- und Sekundarstufen I und II. Ebenfalls adressiert waren Lehrkräfte von Fächern, in denen komplexe Inhalte überwiegend sprachlich vermittelt werden, wie z.B. in Geschichte. Die „grundsätzliche Idee, ‚Deutsch für alle‘ über Fach- und Altersgrenzen hinaus zu denken“ war laut Evaluation einer teilnehmenden Person „sehr einleuchtend und inspirierend.“
Dialogischer Hauptvortrag: Das Format überzeugte
Im dialogischen Hauptvortrag zum Thema „Auf- und Ausbau des Deutschen im Mündlichen und Schriftlichen“ diskutierten Frau Prof. Dr. Petra Gretsch und Frau Prof. Dr. Gabriele Kniffka die Frage, wie Schülerinnen und Schüler im Fachunterricht darin unterstützt werden können, fachliche Inhalte und die dazugehörige Fachsprache integriert zu erwerben. Das Thema traf damit den beruflichen Alltag der Teilnehmenden: „das aktuelle gesellschaftliche Problem der mangelnden Sprachkenntnisse“. Das Format des dialogischen Vortrags kam bei den Teilnehmenden gut an: Auch wenn sich manche Inhalte gedoppelt haben, hat der Vortrag „wie ein interessantes Gespräch unter fachlich ausgezeichneten Kolleginnen gewirkt. Es war sehr interessant diesem Dialog zu lauschen.“, so eine Lehrkraft.
Workshops
Die acht Workshops boten ein abwechslungsreiches Programm von „Metaphern verstehen“ bis „narrative Computerspiele im Literaturunterricht“. Ein Einblick:
Referent Dr. Friedemann Holder zeigte aus der Perspektive der Kognitionslinguistik, dass Metaphern nicht nur in Gedichten zu finden sind, sondern ein unverzichtbaren sprachliches Mittel sind, das unsere Denkstrukturen sichtbar macht.
Referentin Franziska Trischler sensibilisierte für das Thema des gekonnten Vorlesens in der Grundschule und zeigte den Teilnehmenden, wie sie ihre eigene Vorlesekompetenz weiterentwickeln können. Laut Feedback konnten die Teilnehmenden „sowohl für die Arbeit in der Schule als auch für die Seminararbeit viele nützliche Hinweise und Tipps mitnehmen“. Eine Lehrkraft wünschte sich zudem den Workshop als Fortbildung innerhalb seines/ihres Kollegiums.
Einen starken Praxisbezug konnte auch Wolfgang Bay in seinem Workshop zum leichteren Verstehen narrativer Texte herstellen. Er stellte Verstehensstrategien vor und zeigte den Teilnehmenden, wie sie diese durch Unterrichtsmethoden und -Material ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln können.
Prof. Dr. Jan M. Boelmann und Dr. Lisa König machten auf das Potential von narrativen Computerspielen aufmerksam: Lehrkräfte können diese nutzen, um literarische Verstehensprozesse bei Sekundarstufenschülerinnen und -schülern anzustoßen.
Der Austausch im Online-Format gelang Sandra Hans und Prof. Dr. Andreas Krafft in ihrem Workshop zu „Rechtschreibung für alle“ gut: Die Teilnehmenden veranlassten sich laut Rückmeldung durch fachdidaktische Fragen gegenseitig zum Weiterdenken und konnten sich „in der Partner- und Gruppenarbeit wunderbar austauschen“.
Online-Workshops funktionieren gut – nur anders
Aufgrund der pandemiebedingten Vertrautheit mit der Fernlehre stellt das Online-Format längst keine Hürde mehr da. Im Gegenteil: Mit Chatfunktionen, Breakout-Rooms und digitalen Pinnwänden haben sich kreative, alternative Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt, die gut funktionieren – nur etwas anders. Um trotz des Online-Formats den informellen Austausch zu ermöglichen, ist im Vorfeld die Idee entstanden, jeweils 20 Minuten vor und nach den 2-stündigen Veranstaltungen eine „virtuelle Coffeetime” zum zwanglosen Austausch in kleinerer Runde einzurichten. Dies hat auf diese Weise nicht funktioniert und wurde nicht angenommen. Adäquaten Ersatz für informellen Austausch im digitalen Raum zu ermöglichen bleibt eine herausfordernde Aufgabe für kreative Köpfe.
Die Teilnehmenden meldeten zu vielen Workshops zurück, dass eine gewinnbringende Interaktion und Kommunikation stattgefunden habe: „Obwohl die Veranstaltung online war, konnte ich mich wunderbar mit anderen in der Gruppen- und Partnerarbeit austauschen.“ In der Evaluation geben 37% der Lehrkräfte an, sich eher weniger ausgetauscht zu haben als in Präsenzveranstaltungen, 54 % erlebten gleich viel Austausch und 9% gaben an, sich mehr ausgetauscht zu haben als in Präsenz.
Bezüglich des Lernzuwachses blieb das Online-Format nach Einschätzung der Teilnehmenden nicht hinter dem Präsenz-Format zurück. 78% der Teilnehmenden, welche die Evaluation ausgefüllt haben, gaben an, gleich viel gelernt zu haben, jeweils 11% weniger bzw. mehr. Ein Nachteil des „Home Learnings“ sehen viele in den zahlreichen Ablenkungsquellen: Sei es die Familie, die um einen herumwirbelte oder die Verführung beim Aufkommen von Langeweile, „die Veranstaltung nebenher zu konsumieren“.
Eine Herausforderung, vor allem für die Planung und Organisation der Vorträge und Workshops, besteht in der geringen Verbindlichkeit: Die „No-Show-Rate“, also Personen, die sich anmelden, aber nicht erscheinen, fällt bei Online-Veranstaltungen auf. Von den 113 Angemeldeten nahmen 78 (69%) tatsächlich teil. Bezogen auf die einzelnen Workshops von „Deutsch für alle“ lag die Teilnahme-Rate noch deutlich darunter: Beim dialogischen Hauptvortrag konnten die Referentinnen auf etwa die Hälfte der Angemeldeten zählen. Bei den Workshops waren es im Schnitt weniger als ein Drittel. Mit diesem Wissen überbuchten wir die Workshops im Vorfeld um bis zu 100 Prozent.
Errechnet haben wir neben der „No-Show-Rate“ auch die „Abbruchquote“, d.h. wie viele Personen über den gesamten Zeitraum eines einzelnen Workshops anwesend waren bzw. wie viele früher ausstiegen, was natürlich auch ein deutliches Feedback-Element ist. Dabei zeigt sich, dass im Schnitt 87% der Teilnehmenden über die meiste oder ganze Zeit der Workshops dabei waren – was für viele anregende Workshops spricht.
Ein definitiv positiver Aspekt betrifft die Reichweite der Veranstaltung, die sich im Prinzip an interessierte Lehrkräfte im gesamten deutschsprachigen Raum richtet. Gerade sehr spezifische Angebote –auch im Fachbereich Deutsch – könnten ohne das erweiterte Einzugsgebiet gar nicht stattfinden. Auch bei der seit vielen Jahren etablierten Herbsttagung „Mathe für alle“, die parallel stattgefunden hat, nahmen Lehrkräfte bundesweit das Angebot wahr. Bei allen Beteiligten – bei Organisierenden, Referierenden und Teilnehmenden – fördert dies auch das Denken über die Ländergrenzen hinweg.
Noch während wir diese Zeilen schreiben beugen sich die Kolleginnen und Kollegen im Institut für deutsche Sprache und Literatur über den Planungstisch. Wer federführend für „Deutsch für alle 2022“ sein wird, ob die Veranstaltung Online, Präsenz oder auf beide Arten angeboten werden soll, erfahren Sie auf unseren Websiten und im Newsletter.
Text: Aliena Kempf & Beate Eping