Im Rahmen der Lehrentwicklungsprojekte im Teilprojekt L3 geht es bei “Rethinking Diversity – Sport und Sportunterricht jenseits von Strukturkategorien” um die Entwicklung einer machtkritischen und intersektionalen Perspektive auf Sport und Sportunterricht. Die Studierenden sollen dabei Theorien und empirisches Wissen aus anderen Fachwissenschaften auf das eigene Fach beziehen und so Ausgrenzungs-, Diskriminierungs- und Benachteiligungsmuster erkennen und fachdidaktisch reflektieren.
Ayla Fedorchenko, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Projektlaufzeit: 01.03.21 – 28.02.22
Dem Sportunterricht kommt im Kanon der Schulfächer besonderes Potential zur Adressierung der im baden-württembergischen Bildungsplan verankerten Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ (BTV) zu. Doch Schulsport steckt in einer paradoxen Rolle: Er soll im Kontext von Schule explizit (sozial-)erzieherisch und entwicklungsförderlich wirken, gleichzeitig wirkt er in seinen außerschulischen Strukturen und Organisationen so, dass er soziale Ungleichheit verstärkt.
Auch im Schulsport werden Möglichkeitsräume für bestimmte Schülerinnen und Schüler dort beschränkt, wo diese mit kategorisierenden und normierenden Wahrnehmungsprozessen konfrontiert sind (z.B. Steiger 2019). Die empirische Forschung zeigt auf, dass Sportunterricht nur dann eine emanzipatorische Wirkung haben kann, wenn Lehrkräfte die Komplexität sozialer Ungleichheit im Sport verstehen, und lernen, auch eigene bestehende Orientierungs- und Handlungsmuster zum Beispiel bezüglich Geschlechts, sozialer und ethnischer Herkunft oder bestimmter Körperbilder zu hinterfragen.
Während der erziehungswissenschaftliche und bildungssoziologische Diskurs kategoriales Denken schon länger problematisiert, gibt es innerhalb der Sportwissenschaft und Sportpraxis noch kaum Ansätze, die soziale Ungleichheit aus intersektionaler Perspektive betrachten und das komplexe Zusammenwirken verschiedener Differenzkategorien systematisch untersuchen (Rulofs & Dahmen 2014, S.46.).
Genau hier setzt das Lehrentwicklungsprojekt „Rethinking Diversity – Sport(unterricht) jenseits von Strukturkategorien“ an, welches im Wintersemester 2021/22 erstmals für Studierende in Freiburg (Universität und PH) angeboten wird. Die Studierenden sollen dabei über Anwendung von Theorie und empirischem Wissen aus verschiedenen Fachwissenschaften (Erziehungswissenschaft, Soziologie, Geschlechterforschung, Rassismusforschung) auf das eigene Fach angeregt werden, Ausgrenzungs-, Diskriminierungs- und Benachteiligungsmuster zu erkennen und konstruktiv im Sinne einer Förderung aller Schüler*innen fachdidaktisch zu reflektieren.
Ziel der Vermittlung der fachwissenschaftlichen Inhalte ist es, das Zusammenwirken von Strukturkategorien im Sport und resultierende Konsequenzen für Partizipation und Bildung zu verstehen und aufzuzeigen, wie Prozesse der Differenzierung, Stereotypisierung und Stigmatisierung aufgebrochen und überwunden werden können.
Entwickelt wurde ein hybrides Lehr-/Lernformat mit Online- und Präsenzphasen, in denen Theorie und Praxis verknüpft und von Reflexionseinheiten (biographisch, theoriegestützt und praxisbezogen) umrahmt werden. In zwei Praxisworkshops (gemeinsam mit Lehrenden der PH und des Arnold-Bergstraesser-Instituts) soll der Bezug zwischen Differenzkategorien und dem eigenen Körper/Leib (Auswirkungen, Ressourcen) erfahrbar gemacht werden.
Literatur
- Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016). Bildungspläne 2016: Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV). http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/Startseite/BP2016BW_ALLG/BP2016BW_ALLG_LP_BTV
- Rulofs, B. & Dahmen, B. (2014). Gender und Diversity im Sport – Konkurrenz oder Verstärkung? GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 2(2), S. 41-55.
- Steiger, J. (2019). Migrationsbedingte Heterogenität im Sportunterricht Schüler- und fachbezogene Überzeugungen von Sport unterrichtenden Lehrpersonen. Springer Fachmedien: Wiesbaden.
Hintergrund
Im Rahmen des Teilprojekts L3 – Professionsorientierte Fachwissenschaft im Handlungsfeld Lehre werden jährlich für die Konzeption und Umsetzung fachwissenschaftlicher Veranstaltungen, die auf schulrelevante Inhalte fokussieren und diese vertiefen, Stellenanteile im Umfang von bis zu 50% vergeben. Weitere Lehrprojekte finden Sie im Bereich Studium & Lehre > Lehrprojekte.