Ergebnisse des Lehrentwicklungsprojekts von Dr. Melanie Koch-Fröhlich, Romanisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Projektlaufzeit: 01.03.2019 – 28.02.2020
Dr. Melanie Koch-Fröhlich hat in ihrem Lehrentwicklungsprojekt ein „Integriertes Masterseminar“ für den Teilstudiengang Französisch zum Thema „Erinnerungskulturen im französischsprachigen Gegenwartsroman“ entwickelt. Ziel des Seminars ist es, Erinnerungsdiskurse aus der Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaft mit jenen der Literatur zu kreuzen. Angehenden Lehrer*innen soll gezeigt werden, inwiefern sich die Literatur als privilegierter Zugang zur gesellschaftlichen und politischen Realität einer (fremden) Kultur erweisen kann.
Professionsorientierte Fachwissenschaft im Lehramtsstudium
Professionsorientierte Lehrveranstaltungen zielen auf die Vermittlung von Inhalten ab, die für den schulischen Kontext relevant sind. Doch was genau lässt sich darunter im Rahmen der romanistischen Lehrer*innenausbildung verstehen? Um das Konzept der professionsorientierten Fachwissenschaft konkreter zu fassen, wurde dem Lehrentwicklungsprojekt folgende dreiteilige Begriffsdefinition zugrunde gelegt:
- Professionsorientierte Lehrveranstaltungen generieren Verknüpfungen zwischen den einzelnen romanistischen Teildisziplinen, namentlich zwischen der Literaturwissenschaft, der Kulturwissenschaft und der Sprachpraxis.
- In Anlehnung an die im schulischen Bildungsplan definierten Kompetenzziele vermitteln sie ein Überblickswissen über ausgewählte schulrelevante landeskundliche Themenkomplexe.
- Die literaturwissenschaftlichen Seminarinhalte knüpfen an ein funktionales Literaturverständnis an, das der besonderen kulturellen Leistung von Literatur Rechnung trägt.
Bezug zum Bildungsplan
Es ist Aufgabe von Schule und Universität, dem hohen gesellschaftsrelevanten Stellenwert von Literatur in ihren jeweiligen Curricula hinreichend gerecht zu werden. Auch der aktuelle Bildungsplan für das Fach Französisch beruft sich auf das kulturelle Potenzial von Literatur, indem er den Erwerb eines sogenannten „soziokulturellen Orientierungswissens“ explizit an die Lektüre fiktionaler Texte bindet. Damit Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe ein vertieftes Verständnis des französischsprachigen Kulturraums sowie seiner Geschichte und Gesellschaft entwickeln könnten, stelle gerade die vergleichende Auseinandersetzung mit fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten ein wichtiges Desiderat für den Unterricht dar. Anknüpfend an dieses im Bildungsplan formulierte Kompetenzziel wurde daher bei der Konzeption und Durchführung des professionsorientierten Lehrentwicklungsprojekts besonderer Wert auf die gegenüberstellende Betrachtung unterschiedlicher Textsorten (wissenschaftliche, fiktionale und journalistische Dokumente) gelegt, um auf diese Weise vielerlei Zugänge zu erinnerungskulturell bedeutsamen Themen zu eröffnen.
Inhalte und Ziele des Lehrentwicklungsprojekts
Das Lehrentwicklungsprojekt wurde im Wintersemester 2019/20 als Proseminar unter dem Titel „Literatur, Kultur und Gedächtnis: Inszenierung von Erinnerung im französischsprachigen Gegenwartsroman“ erstmalig durchgeführt. Es wurde untersucht, mit welchen ästhetischen Verfahrensweisen theoretisch artikulierte Konzepte von Gedächtnis und Erinnerung Eingang in die Literatur finden. Methodisch-inhaltlich war das Seminar zweigeteilt. In einem ersten Theorieblock haben sich die Studierenden mit mehreren geisteswissenschaftlichen Erinnerungstexten auseinandergesetzt. In studentischen Referaten wurden anschließend die Formen der Übertragung von der Theorie in die Literatur reflektiert. Dabei umfasste das für die Vorbereitung der Referate zur Verfügung gestellte literarische Korpus ausschließlich Texte, die aufgrund von Umfang und sprachlicher Komplexität auch in der gymnasialen Oberstufe einsetzbar sind, bislang jedoch nicht zum schulischen Lektürekanon gehören. Somit wurde schon über die Auswahl der Werke ein Professionsbezug hergestellt. Am Ende der Veranstaltung haben die Studierenden ein breites Professionswissen erworben, das sowohl in fachwissenschaftlicher als auch in methodischer und sprachpraktischer Hinsicht für den schulischen Kontext von Belang ist.
Hohe Relevanz für angehende Lehrkräfte
Die Studierenden haben zentrale Merkmale und Konzepte kulturwissenschaftlicher Erinnerungstheorien kennengelernt und wurden dabei gleichzeitig für die ungebrochene Aktualität eines Forschungsfelds sensibilisiert, dessen Einsichten für das transkulturelle Lernen in der Schule unabdingbar sind. Darüber hinaus haben sie erfahren, inwiefern die theoretisch erworbenen Kenntnisse auf die spezifischen Erzählstrukturen literarischer Werke übertragbar sind. Entlang der Beschäftigung mit erinnerungskulturellen Problematiken konnten sich die Studierenden ein solides Überblickswissen über die Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert aneignen, insbesondere über die Rolle Frankreichs im Zweiten Weltkrieg und den Algerienkrieg – landeskundliche Themen also, die auch Gegenstand des Schulcurriculums sind. In methodischer Hinsicht wurden sie darin geschult, literarische Texte zur Bearbeitung eines bestimmten Themenkomplexes auszuwählen. Sie wurden mit der für ihre spätere Unterrichtstätigkeit zentralen Aufgabe vertraut gemacht, Textausschnitte zu isolieren, um diese zur Grundlage von größeren Lehr-Lern-Prozessen zu machen, wie sie im fremdsprachlichen Schulunterricht gefordert sind.
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