Im Seminar „Applying Linguistics in the Foreign Language Classroom“ von Dr. Anna Rosen erhalten Lehramtsstudierende im Fach Englisch die Gelegenheit, sich ein Semester lang in eigenen Forschungsprojekten mit Schüler*innensprache aus dem Freiburger Raum auseinanderzusetzen. Dabei analysieren sie jeweils Daten einer Klassenstufe sowohl qualitativ wie auch quantitativ und diagnostizieren Stärken und Schwächen der Lernersprache. Die Ergebnisse der Projekte bieten vertiefte Einblicke in ganz unterschiedliche Aspekte schriftlicher und mündlicher Sprache von Englischlernern am Gymnasium.
In der fremdsprachlichen Lehrer*innenbildung wird seit Jahren sowohl Forschendes Lernen als auch eine engere Verknüpfung von Sprachwissenschaft und Fachdidaktik gefordert. Den Studierenden einer Fremdsprache ist oft völlig unklar, in welch erheblichem Maße ihre linguistische Ausbildung ihnen später im Lehrberuf von Nutzen sein kann. An dieser Ausgangslage setzt das Konzept der Lehrveranstaltung „Applying Linguistics in the Foreign Language Classroom” an, das 2017 mit dem Landeslehrpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde.
Die Veranstaltung zeigt angehenden Englischlehrkräften die vielfältigen Bezugspunkte zwischen Englischunterricht und sprachwissenschaftlichen Inhalten, Methoden und Werkzeugen auf. Vor allem aber ermöglicht es ihnen, sich in Forschungsprojekten aktiv mit authentischer Schüler*innensprache auseinanderzusetzen. Die Sprachdaten wurden eigens für diese Lehrveranstaltung an vier Freiburger Gymnasien erhoben und bestehen aus Unterrichtsmitschnitten, Interviews mit Schüler*innen und geschriebenen Texten, etwa Klassenarbeiten oder Hausaufgaben. Die Studierenden setzen ihren eigenen Untersuchungsfokus und werten die Daten aus. Sie diskutieren dabei beispielsweise Stärken und Schwächen der Lernenden im Hinblick auf Grammatik, Wortschatz, Pragmatik oder Kommunikationsstrategien.
Durch ihre Untersuchungen können Studierende komplexe Prozesse beim Erlernen einer Fremdsprache ganz konkret nachvollziehen, ihr Feedback zur Sprache von Schüler*innen verbessern sowie Schlüsselkompetenzen schulen, die für das Unterrichten einer Fremdsprache unerlässlich sind. So bereiten sie sich auf eine reflektierte, sprachwissenschaftlich begründete Bewertung von Schüler*innensprache im künftigen Beruf vor.
Die Forschungsergebnisse der Studierenden im WS 2019/20 werden im Folgenden vorgestellt:
Forschungergebnisse “Applying Linguistics in the Foreign Language Classroom” WS 2019/20
Projekt: “The Use of English Articles” von Jennifer Aslani-Aliabadi
Der englische Artikel ist eine der ersten grammatischen Strukturen, die im Fremdsprachenunterricht eingeführt werden. Auch laut der “Morpheme Order Studies” gehört der Artikelgebrauch zu den ersten Strukturen, die Lerner des Englischen erwerben. Dies lässt vermuten, dass fortgeschrittene Lerner englische Artikel weitestgehend sicher verwenden. Das vorliegende Projekt untersucht den Gebrauch der englischen Artikel in Klassenarbeiten von Schüler*innen der neunten Klasse. Es zeigt, dass auch fortgeschrittene Lerner noch Schwierigkeiten bei der Auswahl des richtigen Artikels haben. Dabei weisen die Nutzung des Nullartikels und die des bestimmten Artikels die meisten Abweichungen zur Zielsprache auf. (Schul-)Grammatiken geben klar definierte Regeln für die Wahl des richtigen Artikels vor. Recherchen im British National Corpus, einer britischen Textsammlung von 100 Millionen Wörtern, zeigen allerdings, dass die Wahl des richtigen Artikels im Englischen häufig von der individuellen Konstruktion eines Satzes abhängt. Simplifizierende grammatische Regeln genügen nicht, um die muttersprachliche Nutzung der englischen Artikel zu erlernen.
Weitere Informationen finden Sie im Handout des Projekts.
Projekt: “Discourse Markers” von Franziska Dörflinger
Es existieren zahlreiche Ansichten bezüglich des Gebrauchs und der Definition des Begriffs Diskursmarker (Englisch: discourse markers). Dennoch ist man sich über eines einig: Diskursmarker sind ein essenzielles sprachliches Mittel, das gerade in spontanen Gesprächssituationen dazu dient, den Sprachfluss aufrechtzuerhalten. Allerdings wurde in mehreren Studien der letzten Jahre herausgestellt, dass die sprachliche Anwendung durch Lernende tendenziell eher gering ist.
Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen dieses Projekts Interviews mit Neuntklässlern von zwei Gymnasien in Freiburg untersucht. Dabei wurde folgenden Forschungsfragen nachgegangen:
- Wie viele Diskursmarker verwenden die Schüler*innen?
- Wie viele verschiedene Diskursmarker werden von ihnen verwendet?
- Sind die verwendeten Diskursmarker effektiv, um den Sprachfluss aufrechtzuerhalten?
Die Ergebnisse der Analyse verdeutlichen abermals die Bedeutung des Stilmittels für die Lernersprache. Sie sollen als Anhaltspunkt für Lehrer*innen dienen, die eigenen Klassen hinsichtlich des Gebrauchs von Diskursmarkern zu untersuchen. In einem weiteren Schritt könnten, je nach Notwendigkeit, Diskursmarker bewusst in den Unterricht integriert und dadurch den Schüler*innen mit kleinsten sprachlichen Mitteln dazu verholfen werden, „flüssiger“ zu sprechen.
Weitere Informationen finden Sie im Handout des Projekts.
Projekt: “The Final Devoicing of Consonants by German ESL Learners” von Leon Liehner
Das Forschungsprojekt zum Thema „Final Devoicing of Consonants“ beschäftigt sich mit dem phonologischen Vorgang der Auslautverhärtung bei Englischlernern der Klasse 12.
Auslautverhärtung ist ein äußerst übliches Phänomen bei Englischlernern. Geschuldet ist dies der Tatsache, dass die deutsche Phonologie keine stimmhaften Konsonanten am Ende von Wörtern kennt, was es umso schwieriger macht, dieses sprachenspezifische Merkmal zu meistern. Dennoch scheint es, als ob die Problematik in vielen Fällen im Zuge des englischen Fremdsprachenunterrichts wenig Beachtung findet. Um das Ausmaß der Auslautverhärtung bestimmen zu können, wurden im Zuge dieser Forschung Tonaufnahmen von Interviews und Lehrer-Schüler-Gesprächen mehrerer Schüler*innen eines Freiburger Gymnasiums analysiert. Dabei sollte analysiert werden, welche Wörter mit stimmhaften finalen Konsonanten am häufigsten auftreten und welche dieser Konsonanten den Schülern die meisten Schwierigkeiten bereiten. Letztlich sollte daraus geschlossen werden, inwiefern die Verständlichkeit des Gesprochenen dadurch beeinträchtigt wird und welche Schlüsse sich daraus für ein Aussprachetraining im Englischunterricht ziehen lassen.
Weitere Informationen finden Sie im Handout des Projekts.
Projekt: “Morpheme Acquisition Order in spoken and written texts of German students learning English” von Rainer Rosenfelder
Der Sozialpsychologe Roger William Brown befasste sich in den 1960er Jahren mit dem Erstspracherwerb bei Kindern. In einer langjährigen Studie fand er heraus, dass Kinder in einer speziellen Reihenfolge die 14 grammatischen Morpheme des Englischen erwerben. Krashen (1982), Dulay et al. (1982) sowie Goldschneider und DeKeyser (2001) zeigen anhand einer ähnlichen Liste, dass diese Entwicklung auch für den Zweitspracherwerb von Englisch gültig ist. So erwerben Englischlerner beispielsweise das Plural -s vor dem -s der dritten Person Singular. Luk & Shirai (2009) vermuten zudem, dass die Erwerbsreihenfolge von der Muttersprache des Lernenden abhängt. Dieser Thematik widmete sich auch dieses Projekt. Hierbei sollte anhand dreier Morpheme (plural -s, auxiliary do, third person -s) einerseits untersucht werden, ob Browns Erwerbsreihenfolge der Morpheme auch für Schülerinnen und Schüler gilt, deren Muttersprache Deutsch ist und die in der Schule Englisch als Fremdsprache lernen, sowie andererseits, ob die Erwerbsreihenfolge für gesprochene und geschriebene Sprache gleichermaßen gilt. Hierfür wurden geschriebene und gesprochene Texte von 20 Schülerinnen und Schülern einer sechsten Klasse eines Freiburger Gymnasiums untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Erwerbsreihenfolge, zumindest für die drei untersuchten Morpheme, mit den Ergebnissen von Brown (1972) und Krashen (1982) übereinstimmen.
Weitere Informationen finden Sie im Handout des Projekts.
Projekt: “To what extent can collocational errors be explained by L1 interference?” von Kerstin Zerrer
Ausgehend von der Frage, inwiefern die Anwendung von englischen Kollokationen durch Deutsch als Muttersprache beeinflusst wird, habe ich elf geschriebene Texte (je ca. 180 Wörter) von Schülerinnen und Schülern der 11. Klasse eines Freiburger Gymnasiums untersucht. Grundlage meiner Auswertung war eine ähnliche Forschungsarbeit von Nadja Nesselhauf aus dem Jahr 2003 zur Nutzung von Kollokationen durch fortgeschrittene Englischlerner. Zur Bewertung der Idiomatizität und Akzeptabilität von Wortkombinationen wie z.B. to follow expectations oder big progress verwendete ich das British National Corpus, das Ozdic English Collocations Dictionary sowie das Oxford Collocation Dictionary of English. Für eine genauere Analyse unterschied ich Kollokationen danach, ob sie mit dem äquivalenten deutschen Ausdruck übereinstimmen und wie frei bzw. eingeschränkt die einzelnen Elemente einer Kollokation kombinierbar sind. Das Ergebnis ist insoweit interessant als dass eine fehlende Übereinstimmung mit dem Deutschen eine deutlich größere Fehlerquelle darstellt als eine eingeschränkte Kombinierbarkeit der Kollokationselemente im Englischen. Aus meinen Ergebnissen leite ich abschließend Auswirkungen und Ziele für den Fremdsprachenunterricht ab.
Weitere Informationen finden Sie im Handout des Projekts.
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Blog-Beitrag “Studienberatung in Corona-Zeiten” (Universität)
- Dr. Anna Rosen ist auch Mitarbeiterin in der Abteilung “Beratung und Praxisvernetzung” der School of Education FACE und spricht im Interview gemeinsam mit ihrer Kollegin Sybille Schick darüber, wie individuelle Beratung im Rahmen des Social Distancing bzw. der geschlossenen Hochschule individuelle Beratung derzeit gelingen kann.