In der dreitägigen Fortbildung „Emotionale Kompetenzbildung“, die von November 2019 bis März 2020 an drei Samstagen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg stattfand, vermittelten die beiden Referentinnen Chiara J. Greber und Juana Kofler Lehrkräften verschiedener Schularten Kompetenzen in der Wahrnehmung und im Umgang mit Gefühlen. Die theoretischen und praktischen Lerninhalte griffen ineinander und wurden so zu einem Handlungsrepertoire für den Umgang mit herausfordernden Gefühlen – sowohl mit eigenen als auch mit jenen von Schüler*innen.
Ein Ziel davon ist, dass Lehrkräfte mit emotional belastenden Situationen im Schulalltag besser umgehen können. Die Teilnehmer*innen haben zwischen den Fortbildungsterminen Teile der vorgestellten Methoden erprobt, diese in den weiteren Sitzungen reflektiert und einen differenzierten Blick auf die Rolle der Gefühle im Kontext Schule erhalten.
Überblick der Fortbildung
In der Fortbildung „Emotionale Kompetenzbildung“gingen die teilnehmenden Lehrkräfte auf eine Forschungsreise zum Thema „Was ist fühlen?“. Die beiden Referentinnen vermittelten am ersten Fortbildungstag als Herzstück den Gefühlskompass, der eine Orientierung gibt, wie gedankliche Interpretationen das eigene Gefühlserleben beeinflussen. Die Lehrkräfte erforschten in kurzen intensiven Übungssequenzen die auf das eigene Bedürfnis ausgerichteten Kräfte der Gefühle und ihre Verankerungen im Jetzt bzw. bei unangemessen intensiven Reaktionen in vergangenen biographischen Situationen. Am zweiten Fortbildungstag lernten sie Methoden der gezielten emotionalen Entladung und zum Ausstieg aus dem Dramadreieck kennen und reflektierten ihre Absolutheitsansprüche. Wie Lehrkräfte ihre eigenen Gefühle als Beziehungskräfte nutzen können und mit den Schüler*innen in Beziehung gehen können war Thema des dritten Fortbildungstags.
Tag 1
“Es war interessant, sich bewusst zu werden, dass es immer zwei Seiten eines Gefühls und damit auch zwei Handlungsmöglichkeiten gibt”
Feedback Teilnehmer*in nach dem 1. Termin
Anhand des „Gefühle-Kompasses“ (Dittmar 2007) erhielten die Lehrkräfte beim ersten Fortbildungstag ein differenziertes Bild und Orientierung zu den Kraft- und Schattenseiten ausgewählter Grundgefühle: Wut, Trauer, Angst, Freude und Scham. Praktische Übungen brachten die Teilnehmer*innen in Kontakt mit den Gefühlskräften und ihren Potenzialen. Die Referentinnen sensibilisierten die Teilnehmer*innen anhand aktueller Impulse auch für die feinen Nuancierungen alltäglicher Gefühlsregungen, die bereits als Signale genutzt werden können. Die theoretischen Rahmungen zur Entstehung von Gefühlen durch Interpretation wurden durch Reflexion im Austausch untereinander ergänzt. Mit diesem Setting ermöglichten die Referentinnen einen vertrauensvollen Rahmen und einen Perspektivwechsel von vermeintlich negativen Gefühlen hin zur Beziehungsbotschaft des Körpers, die mit den jeweiligen Gefühlen verbunden ist. Die Teilnehmer*innen erhielten Impulse für eine forschende Haltung zu Gefühlsphänomen in ihrer Alltagswelt.
Tag 2
„hochprofessionell, zielorientiert & wertschätzend! (…) sehr intensiv! Fremde arbeiten für Minuten im großen Vertrauen miteinander – erstaunlich!”
Feedback Teilnehmer*in nach dem 2. Termin
Zu Beginn des zweiten Fortbildungstags im Januar 2020 berichteten die Teilnehmer*innen zunächst über ihre veränderten Wahrnehmungen in Bezug auf ihre eigenen Gefühle und die Gefühlsäußerungen von Schüler*innen oder Kolleg*innen, die ihnen nach dem ersten Kurstag aufgefallen sind. Am zweiten Tag der Fortbildung vermittelten die Referentinnen dann vertiefende Inhalte zum Einfluss von Emotionen als „Gefühlsaltlasten“, die in früheren biographischen Kontexten entstanden sind, auf aktuelle Gefühle. Wie schnell man sich im (Schul-)alltag in den verschiedenen Rollen als Opfer, Täter oder Retter eines Dramas wiederfindet und wie diese wieder aufgelöst werden können, konnten die Teilnehmer*innen mit theaterpäda
gogischen Elementen anschließend erfahren. Absolutheitsansprüche spielen dabei eine zentrale Rolle. Solche bei sich zu erkennen und sie als Schlüssel zum Ausstieg aus dem Dramadreieck zu nutzen war ein zentrales Lernelement des Tages. Zum Abschluss vermittelten die Referentinnen eine einfache Methode zur Entladung in einem geschützten und vertrauensvollen Rahmen.
Tag 3
„Gut, dass es mehrere Termine waren! Braucht Zeit / Entwicklung/ ausprobieren”
Feedback Teilnehmer*in nach dem 3. Termin
Der dritte Termin der Fortbildung Anfang März 2020 war dem Transfer der bisherigen Inhalte auf den schulischen Alltag der Lehrkräfte vorbehalten. Juana Kofler stellte ihre Methoden und Erfahrungen in der Umsetzung der Inhalte mit Schüler*innen der Primar- und Sekundarstufe I vor. Chiara Greber ergänzte die Ausführungen mit methodischen Anregungen.
Mit ausgewählten Übungen vertieften die Teilnehmer*innen ihre Kenntnisse und Erfahrungen zur Emotionalen Kompetenz hinsichtlich der Eignung der Übungen für verschiedene Altersstufen im Rahmen kurzer Intervention im Schulalltag oder im größeren Zeitrahmen einer Projektwoche. Die Lehrkräfte fanden sich zu Konzeptgruppen zusammen, in denen sie sich austauschten und die Grobplanung eines Angebots zum Thema Gefühle für die Schüler*innen in der eigenen Schule gemeinsam skizzierten und sich gegenseitig vorstellten.
Voraussichtlich wird im Laufe des Jahres 2020 ein Nachtreffen stattfinden, das zum einen dem Austausch über die Erfahrungen während der Umsetzung in der eigenen Schule dient, zum anderen einen weiteren Input zur Weiterentwicklung der emotionalen Kompetenz geben soll.
Die Referentinnen
Chiara Greber (Dipl. Pädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie) leitet seit 15 Jahren Fortbildungen zur emotionalen und sozialen Kompetenz-bildung in der Erwachsenen-pädagogik und im Unternehmenskontext.
Juana Kofler (Grund- und Hauptschullehrerin) wendet als Lehrerin das Wissen um die Gefühlskräfte mit Schüler*innen an und bietet Projektwochen in der Sekundarstufe I an
Juana Kofler und Chiara J. Greber haben in Zusammenarbeit mit Dr. Martina von Gehlen (School of Education FACE) und Beate Epting (Zentrum für Lehrkräftefortbildung der PH) einen Teil des umfangreichen Fortbildungskonzepts „Kraft der Gefühle“ in ein speziell auf die Zielgruppe der Lehrkräfte zugeschnittenes kürzeres Format nach den Richtlinien der FACE Weiterbildungen adaptiert und boten dieses als Pilot im Rahmen einer Lehrkräftefortbildung an.
(Dr. Martina von Gehlen)
Literatur zum Weiterlesen, auf die sich die Fortbildung stützte
Vivan Dittmar: Gefühle und Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung. Verlag V.C.S. Dittmar, München, 2007 (2. Auflage)
Vivan Dittmar: Kleine Gefühlskunde für Eltern. Wie Kinder emotionale & soziale Kompetenz entwickeln. Verlag: Edition Est., 2014 (4., überarb. Aufl.)
Vivian Dittmar: gefühle@work. Verlag: Edition Est., 2017
Webseite von Chiara Greber: Kraft der Gefühle: https://kraftdergefuehle.de/
Zum Vertiefen
(Auswahl: Dr. Martina von Gehlen):
Bennemann, Eva (2019). Die Arbeits- und Gesundheitssituation von Lehrkräften. Aufgaben, Belastungen und Ressourcen an integrierten und inklusiven Schulen. Münster, New York: Waxmann
Berking, M. (2017). Training Emotionaler Kompetenzen. Springer. 4. Auflage
Hagenauer, G. & Hascher, T. (2018). Emotionen und Emotionsregulierung in Schule und Hochschule. Münster, New York: Waxmann
Kommission Sozialpädagogik (Hrsg.) (2018). Wa(h)re Gefühle?: Sozialpädagogische Emotionsarbeit im wohlfahrtsstaatlichen Kontext. Beltz Juventa
Kuhbandner, C. & Schellhorn, I. (2019). Projektvorstellung: Emotionale Kompetenzen im Lehrberuf – Entwicklung und Evaluation eines Trainings an der Universität Regensburg. https://www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de/de/projektvorstellung-emotionale-kompetenzen-im-lehrberuf—entwicklung-und-evaluation-eines-2197.html (17.03.2020)
Ledergerber, C. (2015). Unterrichtskommunikation und motivational-emotionale Aspekte des Lernens. Eine videobasierte Analyse im Mathematikunterricht. Münster, New York: Waxmann
Nowak, Rosa C. (2011). Transaktionsanalyse und Salutogenese. Der Einfluss transaktionsanalytischer Bildung auf Wohlbefinden und emotionale Lebensqualität. Münster, New York: Waxmann
Sigg, G. & Zimmermann, A. (Hrsg.) (2008) Emotionale Bildung: die vergessene Seite der Bildungsdebatte. Verlag Dr. Kovac.
Weitere Webseiten
Lehrer-Coachinggruppen nach dem Freiburger Modell. Gesundheitsprävention durch Stärkung der Beziehungskompetenz.
SEE Learning: Soziales, emotionales und ethisches Lernen.