Pädagogischer Tag zur Lehrer*innengesundheit am Gymnasium Kenzingen – Praxiskolleg vermittelt Referent*innen an die Hochschulpartnerschule

Der neue Rektor des Gymnasiums Kenzingen Thilo Feucht, der zum Schuljahr 2018/19 die Schulleitung der Hochschulpartnerschule übernahm, stimmte den Themenwunsch des für ihn ersten Pädagogischen Tags mit dem neuen Kollegium ab. Die Mehrheit des Kollegiums wünschte sich Angebote zum Thema Lehrer*innengesundheit. In die Planung des Programms wurde das Praxiskolleg der School of Education FACE einbezogen und um die Vermittlung von Referent*innen aus den beiden Hochschulen, der Universität und der Pädagogischen Hochschule, gebeten. Dr. Martina von Gehlen (Koordination Praxiskolleg und Lehrkräftefort- und Weiterbildung) konnte mit der Vermittlung von Expert*innen zum Programm des Pädagogischen Tages beitragen und durfte sich auch vor Ort ein Bild von den Angeboten machen.

Ullrich Böttinger, Diplompsychologe und Psychologischer Psychotherapeut, ging in seinem einführenden Impulsvortrag „Burnout und Präventionsmöglichkeiten“ auf die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung psychischer Belastungen und Erkrankungen am Arbeitsplatz und im Lehrer*innenberuf ein. Dabei verwies er aber auch auf die grundsätzlich gesundheitsfördernde und stärkende Funktion der Arbeit. Neben den Entstehungsbedingungen und Symptomen eines Burnout von ersten Warnzeichen bis zu Alarmsignalen stellte er konkrete Präventionsempfehlungen auf betrieblicher und individueller Ebene vor.

In Zusammenarbeit mit der Uniklinik Freiburg leitet er seit vielen Jahren Lehrer-Coachinggruppen, in denen Lehrkräfte eigene Fragestellungen zu beruflichen Belastungen und stärkenden Beziehungsgestaltungen im schulischen Kontext lösungsorientiert bearbeiten. In seinem anschließenden Workshop bot er ein Schnuppercoaching für die Lehrkräfte des Gymnasiums an, um die Methode kennenzulernen. Böttinger fasste seine bisherigen Erfahrungen zusammen:

Das Konzept der Verbindung inhaltlicher Inputs zu besonderen Belastungsthemen des Lehrer*innenberuf mit Austausch, Fallbesprechungen sowie dem Kennenlernen von Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen hat sich sowohl in den Gruppen für Lehrkräfte als auch in denen für Lehrkräfte mit Leitungsverantwortung hervorragend bewährt. In den Gruppen entsteht immer wieder ein sehr offener und unterstützender Austausch, von dem die Teilnehmenden viel profitieren.

Die „Lehrer-Coachinggruppen“ nach dem Freiburger Modell sind ein vom Kultusministerium Baden-Württemberg gefördertes Angebot, das auf den Schutz der Lehrer*innengesundheit durch Stärkung der Beziehungskompetenz abzielt. Das Gelingen der Beziehungsgestaltung mit Schülerschaft, Eltern, Kollegium und Vorgesetzten hat entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit von Lehrkräften. Das unter der Leitung von Prof. Joachim Bauer entwickelte Programm ist in seiner Wirksamkeit nachgewiesen und wird von der Projektleitung an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (ärztl. Dir. Prof. Claas Lahmann) des Universitätsklinikums Freiburg laufend evaluiert. Lehrkräfte aller öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg haben die Möglichkeit zur kostenlosen Teilnahme. Die Coachinggruppen werden entweder als fortlaufender oder als Kompaktkurs durchgeführt. (Weitere Information und die Möglichkeit zur Anmeldung unter https://lehrer-coachinggruppen.de/.)

Darüber hinaus bot Juana Kofler, Grund- und Hauptschullehrerin und Emotional Coach, zwei Kurzworkshops zum Thema „Gefühle als Kräfte an, in dem die Lehrkräfte ein einfaches Werkzeug zur Emotionsregulierung kennen- und anwenden lernten. Frau Kofler wendet diese Methoden in ihrer täglichen Schulpraxis mit den Schülerinnen und Schülern an und konnte den Lehrkräften sehr authentisch vermitteln, welches Potenzial im Umgang mit Gefühlen als Indikatoren für Bedürfnisse liegt.

Lena Drieschner, ausgebildete Schauspielerin, bot ebenfalls zwei Kurzworkshops zur Stimmbildung an, in denen sie spielerische und körperorientierte Übungen zur Stimmpflege und einem bewussten Einsatz von Stimme vermittelte.

Gemeinsam mit zwei weiteren Angeboten zur Bewegung und Entspannung, die von Seiten der Schule mit einem lokalen Fitnessstudio realisiert wurden, war für die Lehrkräfte beim Pädagogischen Tag mit einer Auswahl an Workshopangeboten für jeden Bedarf gesorgt. Die Kurzevaluation des Pädagogischen Tags zeigte eine große Zufriedenheit mit den Angeboten und der Konzeption.

Hintergrund

Schulinterne Maßnahmen fördern nach Erkenntnissen der Forschung eine nachhaltige Wirksamkeit von Fortbildungen. Pädagogische Tage ermöglichen eine für die Schule und ihre Lehrkräfte passgenaue und bedarfsorientierte Fortbildung, denn die Fortbildungen werden transferorientiert von Lehrkräften genutzt und die Referent*innen stellen sich passgenau auf den Bedarf der einzelnen Schule ein. Solche schulinternen Maßnahmen bilden deshalb einen Schwerpunkt der Lehrerfortbildung, denn sie ermöglichen, eine Kooperation von Lehrkräften ggf. über Fachteams hinaus (vgl. Leitlinien zur Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen in Baden-Württemberg, II. Abs. 5).

Im Lehrer*innenberuf kommt es auf eine gute individuelle Balance von Engagement und Widerstandskraft an. Das hat eine kürzlich veröffentlichte Studie der Arbeitsgruppe der Uniklinik Freiburg gezeigt, die Lehrer-Coachingruppen anbietet. Untersucht wurden 544 Teilnehmer*innen an Lehrer-Coachinggruppen. Die Anzahl der gesundheitlich stark Belasteten konnte durch das Coaching und damit durch eine Veränderung von Arbeitseinstellung und des Verhaltens deutlich gesenkt werden (von etwa 50 % auf fast 20 %). Eine Steigerung der Distanzierungsfähigkeit im Beruf sowie die Abnahme von Perfektionsstreben, Verausgabungsbereitschaft und Resignationstendenz gehen mit der gesundheitlichen Verbesserung einher und können als Effekte des Coachings beschrieben werden. Bei denjenigen, deren gesundheitliche Situation sich verbesserte, stieg ebenfalls die allgemeine Lebenszufriedenheit an, was als Ausdruck von Resilienz und Gesundheit gesehen werden kann. Der wissenschaftliche Artikel ist in englischer Sprache verfasst und beim OpenAccess Online-Magazin PLOS ONE erschienen (vgl.  Braeunig, M., Pfeifer, R., Schaarschmidt, U., Lahmann, C., & Bauer, J. (2018). Factors influencing mental health improvements in school teachers. PLOS ONE,13(10), e0206412.)