Praxiskolleg Ringvorlesung WS 18/19 „Lehr- und Lernperspektiven – Impulse aus der Forschung für Schule und Unterricht“ am 13.12.2018
Am letzten Abend der Ringvorlesung des FACE-Praxiskollegs für das Jahr 2018 widmete sich Prof. Urban Fraefel dem über die Ländergrenzen hinweg sehr aktuellen Thema erfolgreicher Kooperationen von Studierenden und Lehrpersonen in professionellen Lerngemeinschaften. Prof. Fraefel leitet die Berufspraktischen Studien an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz. Gemeinsam mit Paul Bitschnau, dem Schulleiter der Sekundarstufe I an der Bezirksschule Wohlen (CH), zeigte er auf, wie durch neue strukturelle Rahmenbedingungen sich die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Studierenden und Hochschuldozent*innen im Rahmen der Betreuung von Praxisphasen des Lehramtsstudiums zu einer ko-konstruktiven Zusammenarbeit verändert hat. Paul Bitschnau ist arbeitet seit 2011 am Auf- und Ausbau des besonderen Partnerschulkonzeptsmit der PH FHNW mit.
Prof. Fraefel stellte einführend eine Übersicht über die Abläufe von Praktika angehender Lehrkräfte in den letzten 20 Jahren und deren Herausforderungen bei der Durchführung im Schulfeld und in der Kooperation zwischen Hochschule und Schulen vor. Nach seiner Beobachtung entsprach dieses in der Schweiz als Mentoring bezeichnete Zusammenwirken einem hierarchischen „Meister-Lehrlings-Verhältnis“, das einem Ablaufschema aus Beobachtung, Feedback und Bewertung durch die betreuende Lehrkraft unterliegt. Allerdings impliziert dieses Modell einen Anspruch auf die Deutungshoheit der betreuende Lehrperson – sie meint zu wissen, wie „Lehrersein“ funktioniert und agiert als Expert*in im Sinne eines Wissenstransfers „ich kann das und ich zeige Dir jetzt, wie es richtig geht!“.
Fraefel und Bitschnau stellten den innovativen Ansatz der Zusammenarbeit innerhalb von Praktika in Arbeits- und Lerngemeinschaften in einem hybriden Raum (third space) vor, um angehende Lehrkräfte darin zu unterstützen gemeinsam mit Lehrkräften von realen Problemen des Schulalltags und damit von Schülerinnen und Schülern zu lernen. Im gegenseitigen Einverständnis entsteht ein Diskursfeld in dem temporär hierarchische Strukturen oder Privilegien außer Kraft gesetzt werden und damit angehende und erfahrene Lehrpersonen als Ko-Lernende und Ko-Konstrukteure von Wissen. In diesem sog. Peer-Mentoring erfolgt eine Neu-Konzeptualisierung von Mentoring-Beziehungen.
Anhand von zwei Fallbeispielen zeigte Herr Bitschnau aus seiner schulpraktischen Erfahrung auf, wie unterschiedlich Rückmeldegespräche zwischen Mentor*innen und Praktikant*innen ablaufen können – es lohnt sich theoretisch Erlerntes in der Praxis umzusetzen und als Lösungswege zu nutzen. Kooperation auf Augenhöhe, professionelle und wirkungsvoll Praktiken und Fortschritte der Schülerinnen und Schüler sollten dabei immer im Fokus stehen. Beim Feedbackgeben zwischen Lehrkraft und Schüler*in oder Mentor*in und Praktikant*in handelt sich um eine hochkomplexe und nicht zu unterschätzende Tätigkeit, welche zu den Kernpraktiken des Lehrer*innendaseins gehört und habitualisiert und professionalisiert werden muss. Eine lineare Unterrichtsplanung mit chronologischen Unterrichtsentwürfen verhindern in der Praxis oft das situative und flexible Interagieren mit den Schüler*innen im Unterricht, daher empfahl Fraefel, im Tandem einzelne Unterrichtsteile als „Bausteine“ für den Unterricht vorzubereiten. Die Kooperation zwischen Studierenden und Lehrkräften kann dadurch gezielt gestärkt und die hierarchischen Strukturen aufgeweicht werden. Wenn beide einverstanden sind, erfolgt im Erschaffen eines temporär „hybriden Raumes“ eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Martina von Gehlen und Mirjam Emmering
Videomitschnitt
Hier finden Sie den Videomitschnitt des Votrages von Prof. Urban Fraefel:
Weitere Informationen
Alle Informationen, Berichte und Veranstaltungen der Ringvorlesung “Lehr- und Lernperspektiven – Impulse aus der Forschung für Schule und Unterricht” finden Sie auf der Webseite zur Ringvorlesung.