Interview: Verleihung des Innovationspreises Lehre an Dr. Anne Liefländer

Dr. Anne Liefländer mit der Urkunde für den Innovationspreis Lehre
Foto: Patrick Seeger

Mit dem Innovationspreis Lehre würdigt die Studierendenvertretung der Universität Freiburg Projekte, die universitätsweite Anreize zur Innovation und Verbesserung von Studium und Lehre schaffen.

Die FACE-Projektmitarbeiterin Dr. Anne Liefländer überzeugte den StuRa mit der Konzeption einer neuen, professionsorientierten und innovativen Lehrveranstaltung „Biologie des Menschen“. Die offizielle Preisverleihung fand am 13. Juni 2018 beim Dies Universitatis statt.

Im Video und Interview erfahren Sie mehr über die Ablauf und Inhalte sowie Entstehungsprozess udn Hintergründe zur Lehrveranstaltung

Video

Im Video erhalten Sie einen direkten Einblick in den Ablauf und die Inhalte der innovative Lehrveranstaltung „Biologie des Menschen“.

Interview

Im Interview berichtet Frau Liefländer über Hintergründe und den Entstehungsprozess des innovativen Lehrkonzeptes und gibt einen Einblick in ihre Arbeit im Kooperationsprojekt FACE.

Was ist das Besondere oder Innovative an der Lehrveranstaltung „Biologie des Menschen“?

Bei der neuen Veranstaltung handelt es sich um einen Flipped Classroom auf Basis von ILIAS, unserem Learning Management System. Flipped heißt umgekehrt. Normalerweise geht man in die Vorlesung und bereitet dann nach. Beim Flipped Classroom bereitet man Lernmaterial vor, also man lernt daheim oder wo auch immer man möchte. Auf ILIAS finden die Studierenden sämtliches Lernmaterial. Es gibt vertonte PowerPoint, interaktive Videos oder Lernmodule mit einer Kombination aus Text und Bild. Es ist sehr interaktiv. Wir stellen auch Selbsttests zur Verfügung, damit die Studierenden nachprüfen können, ob sie das Wichtigste verstanden haben. Nach der Selbstlernphase kommen die Studierenden dann zu uns in eine sehr interaktive Präsenzphase. Dort beantworten die Lehrenden Verständnisfragen oder vertiefende Fragen, die die Studierenden beim Lernen auf ILIAS posten. In der Präsenzphase erhalten die Studierenden auch Aufgaben, um das Gelernte anzuwenden und zu vertiefen. Oft werden dabei Modelle oder andere anschauliche Methoden angewandt.

Dr. Anne Liefländer am SchreibtischDie Prüfungsform, das E-Portfolio, ist auch sehr neu und interessant ausgestaltet. Ein E-Portfolio ist eine digitale Sammelmappe, in welche Produkte oder Prozessbeschreibungen, Reflexionen oder Aufgaben eingelegt werden können. Dabei könne neben Texten z.B. auch Audio- und Videoelemente oder Graphiken integriert werden. Unser Portfolio ist ein Produktportfolio, das auf Aufgaben basiert. Ein schönes Aufgabenbeispiel stammt beispielsweise aus der Einheit „Ernährung und Verdauung“: Die Studierenden sollen über drei Tage ihre eigene Ernährung protokollieren, analysieren und reflektieren, inwiefern ihre Ernährung einer „gesunden Ernährung“ entspricht.

Welchen Mehrwert hat die Veranstaltung für die Studierenden und deren Lernprozess?

Der Mehrwert für die Studierenden ist, dass sie selbstgesteuert, zeitunabhängig und ortsunabhängig sich das Wissen aneignen können in ihrer eigenen Geschwindigkeit. Wir haben versucht, höchstmögliche Flexibilität für die Studierenden hineinzubringen. In jeder Einheit können sie aus drei Portfolioaufgaben jene auswählen, die sie am spannendsten finden. Wir haben auch fakultative Deadlines, zu denen sie das Portfolio abgeben können und dann schriftliches Feedback bekommen, und eine obligatorische Deadline, zu der man abgeben muss, aber dann nur noch die Note bekommt.

Dr. Anne Liefländer am SchreibtischIn den Präsenzphasen können die Studierenden ganz viel mit den Kommiliton*innen interagieren, was zum Lernen motiviert, und bekommen natürlich ihre Verständnisfragen beantwortet. Normalerweise ist es ja so, dass man in einer Veranstaltung z.B. auf die Klausur lernt. Während des Lernens tauchen dann die ganzen Verständnisfragen auf und es ist niemand mehr ansprechbar, der sie einem beantwortet. Und im Flipped Classroom lernst Du semesterbegleitend und stellst dann deine Verständnisfragen. Die Studierenden finden es super und zeigen hohe Motivation, wenn direkt auf ihre eigenen Fragen eingegangen wird. Das Schöne an den Fragen der Studierenden ist auch der oft sehr hohe Alltagsbezug. Studierende lernen in der Präsenz daher beispielsweise auch, wie sie schnell verlässliche Antworten auf Fragen aus dem Alltag finden können. Das ist für den späteren Schulalltag eine wichtige Kompetenz.

Welche Bedeutung hat der Innovationspreis für Sie?

Ich habe mich so richtig über den Preis gefreut. Es ist ein gutes Gefühl, dass jemand wahrnimmt, dass hier etwas Spannendes entstanden ist. Ich freue mich auch darauf, mit den anderen Preisträger*innen am Dies Universitatis in Kontakt zu treten.

Die finanzielle Unterstützung, die hinter dem Preis steckt, ist für das Projekt essentiell. Wenn man mit ILIAS arbeitet, eine neue Kursstruktur entwickelt, Tests baut usw. ist das extrem viel Arbeit. Die Hiwis, die ich durch die Förderung anstellen kann, sind da sozusagen die Stützpfeiler. Die Hiwis braucht man einfach. Ohne sie kann dieses aufwendige Konzept nicht innerhalb eines Semesters umgesetzt werden. Deshalb an dieser Stelle ein großes und sehr herzliches Dankeschön an die fleißigen Helfer*innen!

Neben den Hiwis braucht man auch die Ausstattung. Für die Aktivierung aller Studierenden lassen wir sie in Kleingruppen arbeiten. Daher brauchen wir z.B. Modelle nicht einmal, sondern 3 bis 4 Mal. Wenn du ein Bild hast, das ist 2D. Du kannst es dir nicht richtig vorstellen, wie z.B. die weiblichen Geschlechtsorgane im Becken angeordnet sind und wie sie in 3D aussehen. Deshalb ist der Einsatz von Modellen so extrem wichtig. Aber gute Modelle sind richtig teuer. Deshalb wäre der Kurs ohne das Geld so nicht möglich.

Dr. Anne Liefländer am Modell

Modell der weiblichen Geschlechtsorgane für die Lehrveranstaltung

Woher schöpfen Sie die Inspiration für innovative Lehre?

Ich gehe viel zu Fortbildungen des Hochschuldidaktikzentrums (HDZ) und ziehe daraus dann sozusagen kleine Puzzleteile, die ich für die Veranstaltungen verwende, um sie noch besser, noch motivierender, noch spannender und vor allem lernförderlicher zu machen. Zum Beispiel war ich in der Lehrwerkstatt Lehrerbildung mit Christiane Klein zum 4C/ID-Modell, einem Instruktionsdesign, welches auf professionsrelevanten Lernaufgaben basiert. Der Austausch mit Kolleg*innen ist allgemein sehr wichtig für mich. Man kommt auf neue Ideen und inspiriert sich gegenseitig. Sich Zeit zu nehmen, um über die eigenen Lehrveranstaltungen nachzudenken, finde ich essentiell. Was im Rahmen des Projekts, für das ich den Innovationspreis bekomme, auch extrem wichtig war, waren die E-Learning-Veranstaltungen am Rechenzentrum. Sie haben die Grundlage gelegt. Ich hatte vorher noch nicht mit ILIAS gearbeitet und habe sofort nach meinem Stellenantritt im November 2015 angefangen, mich einzuarbeiten. Also, ein Dank an das HDZ und das Rechenzentrum – ohne ihre Unterstützung wäre die Veranstaltung nicht so gut geworden.

Mehr Informationen über Dr. Anne Liefländer und ihre Arbeit im FACE

Ich habe an der Universität Bayreuth in der Biologiedidaktik promoviert und im Laufe meiner Promotion und des Postdoktorats bemerkt, dass mir die Lehre wichtig ist und außerordentlich viel Spaß macht. Lehrkonzeption allgemein macht mir unglaublich Spaß. Daher habe ich von Anfang an auch hochschuldidaktische Fortbildungen besucht. Als ich die Ausschreibung für die Lehrentwicklung für den Master of Education Biologie gelesen habe, war mir klar, dass diese Aufgabe wie auf mich zugeschnitten ist. Das war das, was ich machen wollte und immer noch machen will. Es war also die richtige Entscheidung, die Lehre für das Lehramt zu unterstützen, der Lehre mehr Gewicht zu geben.