Am 18.06.2018 lud das Staatliche Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Freiburg (SSDL) in Kooperation mit dem Praxiskolleg alle an Lehrer*innenbildung Interessierten zur 4. Dialogveranstaltung „Community of Practice“ in die neuen Räume im Rieselfeld ein. Prof. Bernhard Vogelbacher, Direktor des SSDL (BS), begrüßte die rund 40 Teilnehmer*innen aus Hochschulen, von den Staatlichen Seminaren, aus der Bildungsverwaltung und von den (Hochschulpartner-)Schulen.
Entsprechend der Ausrichtung des Tätigkeitsfeldes des Beruflichen Seminars, das in der Begleitung von Studierenden in Praxisphasen des Studiums und von angehenden Lehrkräften im Vorbereitungsdienst liegt, lag der Schwerpunkt dieser Dialogveranstaltung auf der beruflichen Orientierung von Lehramtsstudierenden im Rahmen ihres dreiwöchigen Orientierungspraktikums nach dem ersten oder dritten Studiensemester.
Dr. Benjamin Dreer stellte in seinem einstündigen Impulsvortrag die wissenschaftliche Forschungslage zur „Bedeutung von Praktikumsphasen für die Berufsfindung“ vor. Er hob die Bedeutung sinnvoller Instruktionen und einer guten Begleitung durch die schulischen Lehrkräfte im Praktikum hervor, denn angehende Lehrkräfte verfügen zum frühen Zeitpunkt ihres mit drei Wochen relativ kurzen Orientierungspraktikum (OSP) noch über eine begrenzte Beobachtungsfähigkeit. Herr Dreer betonte, dass sich bei den Lehramtsstudierenden ein Perspektivwechsel von der langjährigen Schüler*innensicht zum Blickwinkel von Lehrkräften nicht einfach ohne Anregungen und Interventionen vollzieht. Das OSP sollte daher, so seine Empfehlung, vor allem zur Erkundung des Berufsfeldes dienen, einen Perspektivwechsel mit Tätigkeitsbezug anbahnen und durch gute Vorbilder die Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudierenden unterstützen. Er plädierte dafür, die Überprüfung der Studienberufswahl und der Eignung für den Lehrer*innenberuf ressourcenschonender an anderer Stelle, z.B. durch Videos und reflexive Elemente im Studium vorzunehmen. Nach seiner Auffassung kann ein Perspektivwechsel sich nur im Tätigsein vollziehen. Hierzu ist es notwendig, situierte und gezielt strukturierte Settings für bestimmte Handlungsmuster zu definieren, die die Komplexität graduell steigern und mit einer Art „Hop-on/Hop-off“-Modus in die Situationen hinein- und herauszuspringen und diese zu reflektieren. Dabei müssen, so seine Empfehlung, von Seiten der ausbildenden Institutionen die Entwicklungsaufgaben definiert und offen gelegt werden.
Video zum Vortrag von Dr. Benjamin Dreer:
Nach einer Netzwerkpause berichteten zwei Lehramtsstudierende der Universität und der Pädagogischen Hochschule, Konrad Faber und Mirjam Emmering, über ihre Erfahrungen im Orientierungspraktikum. Beide erlebten positive Schlüsselmomente, die sie in ihrer Berufswahl bestärkten. Ein wichtiger Aspekt, um das Bedürfnis nach Wertschätzung im Kollegium zu würdigen, wurde in der Frage nach dem offenen Zugang ins Lehrer*innenzimmer (inkl. Schlüssel) thematisiert.
Michael Thimm stellte im Folgenden ausgewählte Ergebnisse der Evaluation des Orientierungspraktikums vor, das Studierende an der Universität Freiburg absolvieren. Insgesamt zeigte die Evaluation, dass das mit der Einführung des polyvalenten Zweifächer-Bachelorstudiengangs im Wintersemester 2015/16 mit Lehramtsoption von der Universität und den Staatlichen Seminaren in Zusammenarbeit mit der PH entwickelte Konzept, von den Studierenden, Dozierenden und begleitenden Lehrkräften gut bewertet wird. Eine Herausforderung innerhalb dieser Praxisphase zeigte sich in der systematischen Verzahnung von Theorie und Praxis. Die Studierenden erkunden eigenständig, aber auch angeleitet die Bedeutung bildungswissenschaftlicher Erkenntnisse für die Ausübung zentraler Tätigkeiten einer Lehrkraft. Die Reflexionskompetenz ist eine der Professionalisierungskompetenzen, die im Laufe des Studiums und Vorbereitungsdienstes systematisch entwickelt wird.
Zur weiteren Vervollständigung der Sichtweisen von Akteur*innen auf das OSP berichteten dann drei für die Vor- und Nachbereitungsworkshops Verantwortlichen vom Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen sowie Gymnasium) über ihre Konzepte und Erfahrungen. Die Staatlichen Seminare unterstützen das Modell damit personell und inhaltlich mit ihren Ressourcen bzw. Deputaten – leider ist diese Konstruktion jedoch aktuell noch nicht langfristig gesichert.
Frau Herlyn vom SSDL BS stellte das Konzept der Begleitworkshops und das ALACT-Modell (Fred Korthagen)1 zur Reflexion im Rahmen der Nachbereitungsworkshops vor. Herr Scholz vom SSDL BS plädierte dafür, im OSP die Studierenden nicht nur beobachten zu lassen, sondern den Studierenden die Möglichkeit zu eröffnen, sich als Lehrkraft fühlen zu können. Im Feedback in der Nachbereitung werden sehr viele praktische Fragen von Studierenden diskutiert, die nicht in den Lehrbüchern stehen. Herr Koderisch vom SSDL Gymnasium lobte die Unterstützung durch das Team der Universität Freiburg (Frau Bender/ Herr Thimm) und stellte die hohe Bedeutung der berufsorientierenden Aufgaben im Orientierungspraktikum heraus. Er stellt aber – im Anschluss an den Vortrag von Herrn Dr. Dreer – in Frage, ob die selbstständige Arbeit mit Korthagens ALACT-Zyklus1 angesichts der geringen Kenntnisse und Erfahrungen der Studierenden im OSP zu früh kommt. Er sichert zu, dass sich das SSDL weiterhin für die Finanzierung dieses gelungenen Konzepts durch das KM einsetzt. Er sieht die Fokussierung auf den Core Practices-Ansatz als wertvolles Konzept und durch die Verschriftlichung im Rahmen der Aufgabenstellungen sei eine gute Basis für die Reflexionen gegeben.
Abschließend wurden aktuelle Handlungsbedarfe zur Berufsorientierung im Orientierungspraktikum diskutiert, die sich auf den Wunsch einer stärkeren Einbeziehung und Unterstützung der betreuenden Lehrkräfte und Schulleitungen richten. Es wurde vorgeschlagen, Feedbackgespräche zwischen den Ausbildungslehrkräften und den Studierenden zu ermöglichen. Schulen benötigen Anrechnungsstunden für ihre zusätzlichen Leistungen, um die Betreuung qualitativ hochwertig langfristig sichern zu können. Außerdem wurde der Wunsch nach einer Orientierung geäußert, was die Schulen in der Betreuung leisten sollen. Für eine weitere Ebene der Kontakthaltung zwischen Studierenden und Schulen, die sich nach dem OSP ergeben kann, müssen rechtliche Rahmenbedingungen geklärt werden.
Insgesamt wurde die Veranstaltung von den Teilnehmenden als wertvoller Input und guter Austausch wahrgenommen. Im Praxisphasentag am 09.10.2018, der an der Pädagogischen Hochschule Freiburg stattfindet, werden weitere Themen in Workshops vertieft.
Dr. Martina von Gehlen
Weitere Informationen
Informationen zum Orientierungspraktikum an der Universität Freiburg
Informationen zum Orientierungspraktikum an der Pädagogischen Hochschule Freiburg
Das Begleitheft zum Orientierungspraktikum steht zum Download zur Verfügung (s. u.a. Kap. 6.3.2 Anleitung: “Reflexion von Schlüsselsituationen mittels des ALACT-Reflexionszyklus“):
Allgemeines zum Format “Community of Practice”
Die Veranstaltungsreihe Community of Practice fungiert als zentraler Vernetzungsraum für einen institutionsübergreifenden Dialog zwischen den Partner*innen in der Lehrer*innenbildung. Die Akteur*innen erhalten Einblicke in die Konzepte anderer beteiligter Institutionen, deren Verantwortlichkeiten, Ziele und Aufgaben und tauschen sich über aktuelle Fragen der Lehrer*innenbildung aus. Der gemeinsame wert- und zielbezogene Abstimmungsprozess dient als Basis für die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für die Lehrer*innenbildung im Raum Freiburg und als Ausgangspunkt für gemeinsame Aktivitäten. Die ersten drei Veranstaltungen 2016/17 fanden in der Universität Freiburg, am SSDL (Gymnasien und Sonderpädagogik) und am SSDL(WHRS) Freiburg statt.