Lehrveranstaltung: Theorie-Praxis-Seminar „Medienbildung im Religionsunterricht“
Zielsetzung: Medienbildung gewinnt an der Schule und Hochschule zunehmend an Bedeutung. In diesem kompetenzorientierten Theorie-Praxis-Seminar, das die Durchführung eines Workshops in einem Religionskurs der Sekundarstufe I mit anschließender Reflexion beinhaltet, erwerben Studierende Problemlösekompetenz zu dieser Querschnittskompetenz und wenden kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten praxisnah in ihrem zukünftigen Tätigkeitsfeld Schule an. Die Verbindung von Theorie- und Praxisinhalten fördert das Erleben von Kohärenz bei Studierenden. Der starke Berufsfeldbezug des Seminars schafft Professionsorientierung. Zudem werden die Institutionen Hochschule und Schule nicht nur inhaltlich auf sinnvolle Weise vernetzt, sondern auch strukturell durch die intensive Kooperation zwischen der Lehrerausbildung an der Hochschule und den in der Community of Practice Tätigen.
Veranstaltungsart: Seminar: Theologische Themen in didaktischer Perspektive
Inhalte:
Entwicklung eines Theorie-Praxis-Seminars zur Förderung von
- „Medienbildung“: Leitperspektive im neuen Bildungsplan 2016 BW, bzw.
- „Medienkompetenz und -erziehung“: Querschnittskompetenz als Rahmenvorgabe für Umstellung der Lehramtsstudiengänge in BW, vgl. Land Baden-Württemberg (2015).
Die Studierenden beschäftigen sich in einem Theorie-Teil mit medienpädagogischen und -didaktischen Grundlagen und erarbeiten anknüpfend an diese Erkenntnisse einen Workshop zu „Medienbildung im Religionsunterricht“, der in der Sekundarstufe I durchgeführt wird.
Studierende: Lehramtsstudierende des Fachs Katholische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Verortung im Lehramtsstudium: Polyvalenter Bachelor, ca. 6. Fachsemester
Zentrale Elemente zur Zielerreichung: Ziel = Förderung des Kohärenz-Erlebens bei Studierenden zwischen Theorie und Praxis; zentrales Element = Durchführung eines selbst erarbeiteten Workshops an einer Schule
Beschreibung der Veranstaltung
Weiterführende / vertiefende Informationen
Beschreibung der Veranstaltung
Konzeptionelle Basis
Das Theorie-Praxis-Seminar basiert auf dem Grundgedanken des Service Learnings – einer Lehr-Lernform, die Theorie und Praxis mit zivilgesellschaftlichem Engagement verknüpft. Service Learning hat seinen Ursprung in der US-amerikanischen Tradition des „experiential learning“, des Lernens durch Erfahrung: „Experiential learning enhances the educational experiences of students by providing them opportunities to go beyond textbooks and classrooms and addresses real-life issues and challenges. Service Learning is one type of experiential learning that helps students prepare to become contributing members of society.” (Lester et al. 2005, S. 278)
Der Kern des konkreten Projekts ist hierbei, dass Studierende nicht nur theoretische Grundlagen zum theologisch-didaktischen Querschnittsthema der „Mediendidaktik im Religionsunterricht“ erwerben, sondern dieses Wissen durch die Planung, Durchführung und Reflexion eines Workshops mit Schüler*innen auch praktisch anwenden. Wie im obigen Zitat erwähnt, ist hier die konkrete Herausforderung („real life issues and challenges“) die Erarbeitung und Durchführung eines eigenen Lehr-Lernformats, welches die Studierenden wiederum auf Ihr späteres Berufsfeld als Lehrer*in vorbereitet und somit Professionsbezug leistet. Der „Service“ besteht hier weniger im zivilgesellschaftlichen Engagement als in einem Angebot im gesellschaftlichen Kontext „Schule“, das sowohl für die Schule als auch die Hochschule einen wechselseitigen Nutzen hat: Für die Hochschule besteht dieser im zu erwartenden Kompetenzzuwachs seitens der Studierenden. Die Schule erhält durch den Workshop ein innovatives Zusatzangebot, das die Lehrer*innen nicht mit zusätzlichem Planungsaufwand belastet, sondern das Einnehmen der Beobachterrolle ermöglicht.
Hurd (2006) liefert eine gute Arbeitsgrundlage für die Arbeit im Seminar: „As pedagogy, service learning emphasizes meaningful student learning through applied, active, project-based learning that draws on multiple knowledge sources (academic, student knowledge and experience, and community knowledge) and provides students with ample opportunities for ethical and critical reflections and practice.” (Hurd 2006, S. 1) Die Studierenden werden im Seminar gefördert durch den Anwendungsbezug („applied”), die aktive Mitarbeit („active“), den Projektcharakter („project-based learning“) sowie die Möglichkeit, ihr eigenes Handeln selbst zu reflektieren und Feedback von Dozent, Mitstudierenden, Religionslehrer*in oder Schüler*innen zu erhalten („critical reflection and practice“).
Im Seminar werden im Idealfall die vier Qualitätsmerkmale von Service Learning erfüllt, die Celio, Durlach und Dymnicki (2011) gruppiert haben (zitiert nach Reinders 2016, S. 24):
- die Verknüpfung von Praxis und akademischen Inhalten;
- eine hohe Partizipation von Studierenden bei der Wahl und Gestaltung der Service-Learning-Projekte bei gleichzeitiger Begleitung durch erfahrene Erwachsene;
- die intensive Kooperation zwischen Akademikern und in der Community-Praxis Tätigen auf inhaltlicher und struktureller Ebene;
- häufige Möglichkeiten zur qualitativ hochwertigen Reflexion und kritischen Betrachtung des Theorie-Praxis-Verhältnisses.
Als didaktische Grundprinzipien von Service Learning werden oft Realitätsbezug, Reflexion und Reziprozität angeführt (Godfrey, Illes & Berry 2005 – zitiert nach Reinders 2016, S. 27):
- Realitätsbezug meint, dass die durchgeführten Projekte nicht im artifiziellen Lernsetting von Schule oder Hochschule, sondern im realen Leben angesiedelt sein und reale Unterstützungsbedarfe der Community bestehen müssen.
- Reziprozität zielt darauf ab, dass Studierende bzw. Schüler*innen und unterstützte Personen oder Organisationen wechselseitig verlässlich sind, voneinander lernen und auf ihre gegenseitigen Bedürfnisse eingehen.
- Reflexion bedeutet, dass Lernende ausreichend Zeit und didaktische Anleitung zum Nachdenken über das Verhältnis von akademischer Theorie und der tatsächlichen Lebenspraxis erhalten.
Realitätsbezug und der angesprochene „reale Unterstützungsbedarf“ besteht auf schulischer Seite bei Medienbildung insbesondere, da die Medienbildung als eine von sechs Leitperspektiven durch den baden-württembergischen Bildungsplan 2016 eingeführt wurde. Religionslehrer*innen stehen nun vor der Herausforderung, diese Leitperspektive mit in der Regel wenigen Vorerfahrungen und ohne bereits erprobtes Unterrichtsmaterial in ihrem Unterricht zu fördern.
Zu erzielende Kompetenzen
- Die Studierenden können ihr eigenes Mediennutzungsverhalten und das Ihrer Mitmenschen kritisch reflektieren.
- Sie können den Einfluss von Mediennutzung auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben (nach Havighurst) analysieren und eigene Beispiele dazu entwickeln.
- Sie können verschiedene medienpädagogische Grundhaltungen unterscheiden und Perspektiven für den Unterricht daraus entwickeln.
- Sie können die Position des medienethischen Grundlagenpapiers „Virtualität und Inszenierung“ zum Medienwandel darstellen und christliche Perspektiven für die heutigen medialen Herausforderungen entfalten.
- Sie können begründen, weshalb Medienbildung ein wichtiger Teil religiöser Bildung ist und wie diese im Religionsunterricht einbezogen werden sollte.
- Sie können den Einfluss von Medien auf das interreligiöse Lernen erläutern und Perspektiven für den positiven Beitrag des Medieneinsatzes im Unterricht für die Entwicklung interreligiöser Kompetenz entfalten.
- Sie können einen Workshop zur Förderung der Leitperspektive Medienbildung konzipieren, durchführen und ihre Erfahrungen kritisch reflektieren.
Zielgruppe
Das Seminarangebot richtet sich an Lehramtsstudierende des Fachs Katholische Theologie an der Pädagogischen Hochschule. Eine Teilnahme von Studierenden der Universität ist durch eine Öffnung des Seminarangebots ebenfalls intendiert, so dass die Kooperation nicht nur die Institutionen Pädagogische Hochschule und Schule umfasst, sondern hochschul-übergreifend ist. Um eine erfolgreiche Durchführung des Praxis-Workshops zu gewährleisten, ist eine Gruppengröße zwischen 10 und 15 Personen sinnvoll. Die vorherige Absolvierung schulpraktischer Studien ist wünschenswert, jedoch keine zwingende Voraussetzung. Da das Modul 3, deren Bestandteil das Seminar „Theologische Themen in didaktischer Perspektive“ ist, erfahrungsgemäß im 5. und 6. Fachsemester belegt wird, haben Studierende in der Regel schulpraktische Erfahrungen, die bei der Konzipierung des Workshops hilfreich sind. Weitere notwendige Kenntnisse im Bereich Medienbildung werden im Rahmen des Seminars erworben. Die konkrete inhaltliche Ausrichtung, anhand derer die Medienkompetenz geschult werden soll, wird gemeinsam im Seminar festgelegt.
Durchführung
Theorie-Teil
- Medienpädagogische Grundlagen: Mediensozialisation von Jugendlichen, medienpädagogische Grundhaltungen
- Medienbildung in Theologie und Religionsunterricht: Medien in Gesellschaft und Kirche, medienweltorientierte Religionsdidaktik, Medienbildung im Bildungsplan 2016 (BW)
Praxis-Teil
- Erarbeitung des Workshops: Festlegung der konkreten inhaltlichen Ausrichtung, Planung der Bausteine des Workshops
- Durchführung des Workshops in einem Religionskurs der Sekundarstufe I
- Reflexion des Workshops
Überprüfung des Lernerfolgs
Die Studierenden reflektieren ihre Praxiserfahrung in einem Portfolio als geeignete kompetenz- und handlungsorientierte Prüfungsform. Konkrete Schritte werden voraussichtlich sein: Formulierung von Lernzielen, Begründung der gewählten Workshop-Inhalte und Vermittlungsmethoden, Zielgruppenanalyse und Reflexion des Workshop-Verlaufs.
Das Portfolio eignet sich aufgrund des prozesshaften Charakters v.a. des Praxisteils deutlich besser für die Überprüfung der Lernziele als eine Leistungsabfrage durch eine Klausur.
Rolle und Aufgaben des Lehrenden
Der Lehrende nimmt im Rahmen des Lehr-Lernprojekts mehrere Rollen ein: Zum einen leitet er die theoretische Phase an, in der die theologischen, didaktischen und soziologischen Grundlagen von Medienbildung im Religionsunterricht gelegt werden. Ferner gibt er in der Erarbeitungsphase des Workshops Input zu den erarbeiteten Inhalten. In der Workshop-Phase selbst ist er in erster Linie Beobachter der Lehr-Lern-Prozesse, um später in der Reflexionsphase Feedback zu geben. In der Kooperation mit der Schule ist der Lehrende für den Kontakt mit Schulleitung und beteiligten Fachkollegen zuständig und kümmert sich um die organisatorischen Details des Workshops.
Rolle und Aufgaben des/der Studierenden
Ähnlich wie die Rolle des Lehrenden verändert sich auch die Rolle der Studierenden im Verlauf des Seminars. Ihre Rolle wird mit fortschreitendem Wissenserwerb und Übergang vom Theorie- zum Praxisteil zunehmend aktiver und selbstgesteuerter. Die Durchführung des Workshops soll eigenständig erfolgen, so dass positive und negative Entwicklungen auf das eigene Handeln zurückgeführt werden können. Eine wichtige Aufgabe in dieser Phase ist auch die Beobachtung des eigenen Handelns und des Handelns der Mitstudierenden, so dass diese Erkenntnisse in der Reflexionsphase ausgewertet werden können.
Bewertung
Chancen
Durch die Verknüpfung von Theorie- und Praxisphase besteht die Chance, dass die Studierenden in einem authentischen Kontext – und nicht nur im artifiziellen Lernsetting der Hochschule – Erfahrungen mit der Integration von Medienbildung im Religionsunterricht sammeln können. Dadurch entsteht ein weit authentischerer Einblick in das zukünftige eigene Berufsfeld als dies im Seminarraum geschehen könnte (Realitätsbezug). Durch die Interaktion mit Mitstudierenden, Schüler*innen, Dozent und Religionslehrer*innen lernen die am Lernprozess Beteiligten wechselseitig voneinander und erhalten Feedback über ihr Handeln (Reziprozität). In der anschließenden Reflexion gleichen die Studierenden das Verhältnis von akademischer Theorie und tatsächlicher Unterrichtspraxis miteinander ab und gewinnen so einen wertvollen professionsorientierten Einblick in ihre zukünftige Tätigkeit (Reflexion).
Weiterführende / vertiefende Informationen
Quellen / Literatur
Godfrey, Paul C., Illes, Louise M. & Berry, Gregory R. (2005). “Creating breadth in business education through Service Learning.” Acadamy of Management Learning & Eduacation, 4(3), 309–323.
Hurd, Clayton A. (2006). “Is service-learning effective?: A look at current research.“ Colorado State University, http://tilt.colostate.edu/sl/faculty/Is_Service-Learning_Effective.pdf (Zugriff am 06.03.17)
Lester, Scott W., Tomkovick, Chuck, Wells, Theresa, Flunker, Lanette & Kickul, Jill (2005). “Does Service Learning add value? Examining the perspectives of multiple stakeholders.” Academy of Management Learning & Education, 4(3), 278–294.
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg (Hg.): Bildungsplan 2016 – Leitperspektiven, http://www.bildungspläne-bw.de/,Lde/Startseite/BP2016BW_ALLG/BP2016BW_ALLG_LP (Zugriff am 06.03.17).
Land Baden-Württemberg (2015). „Rahmenvorgabe für die Umstellung der Lehramtsstudiengänge in BW“, Gesetzesblatt für Baden-Württemberg, 6. Juli 2015, https://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=VB-BW-GBl2015417-G&psml=bsbawueprod.psml&max=true (Zugriff am 17.06.21).
Pirner, Manfred L. (2012) „Medienbildung und religiöse Bildung. Grundlagen und Perspektiven einer medienweltorientierten Religionsdidaktik.“ In: Kropac, Ulrich/Langenhorst, Georg (Hrsg.). Religionsunterricht und der Bildungsauftrag der öffentlichen Schule. Begründung und Perspektiven des Schulfaches Religionslehre. Babenhausen, 193-207.
Reinders, Heinz (2016). Service Learning – Theoretische Überlegungen und empirische Studien zu Lernen durch Engagement. Weinheim und Basel.
Stratmann, J., Preußler, A., Kerres, M. (2009). Lernerfolg und Kompetenz: Didaktische Potenziale der Portfolio-Methode im Hochschulstudium. Zeitschrift für Hochschulentwicklung (Jg. 4, Nr. 1), S. 90-103.
Weinert, Franz E. (Hrsg.) (2011). Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim und Basel, 27f.
Ansprechpartner
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