Prof. Dr. Hans Anand Pants Vortrag „Hattie für die Praxis? – Sinn und Unsinn von Metastudien aus Sicht der Bildungsforschung“ am 09. Februar 2017 bildete den Abschluss der Ringvorlesung „Lehr- und Lernperspektiven – Impulse aus der Forschung für Schule und Unterricht“. Nach einem Vorwort von Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck, ergriff Prof. Dr. Hans Anand Pant von der Humboldt Universität Berlin das Wort und gewann durch seine unterhaltsame Vortragsweise sogleich die volle Aufmerksamkeit der rund 130 Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal – trotz kleiner Exkurse in die von manchen wenig geliebte Statistik.
Im Vordergrund des Vortrags stand das Buch „Visible Learning“ des neuseeländischen Pädagogen Prof. John Hattie, indem er zahlreiche Studien in einer Metaanalyse dahinghend ausgewertet hat, was guter Unterricht ist und welche Unterrichtsmethoden den größten Lernerfolg erzielen. Das Buch machte Hattie zu einem weltweit bekannten Bildungswissenschaftler. Auch Deutschland entwickle sich gerade, laut Prof. Dr. Pant, zum „Groupie-Land Nummer 1“. Es erscheine auch zu schön, um wahr zu sein: durch Hatties „Erfolgsbarometer“ ließe sich direkt ablesen, welche Unterrichtsmaßnahme am besten wirkt. In der Bildungspolitik werde dies dankend angenommen, nachdem Schulreformen, die ohne theoretische Befunde eingeführt wurden, nicht die gewünschten Wirkungen erzielten. Hatties Buch und weitere Studien, wie beispielsweise PISA und IGLU, führten zu einer Kehrtwende in der Bildungspolitik, weg von Schulreformen, hin zu Lehrerbildung und Unterrichtsgestaltung.
Prof. Dr. Pant stellte zunächst die unterschiedlichen wissenschaftlichen Vorgehensweisen bei Metaanalysen vor, beispielsweise wie man entscheidet, welche Studien für die Metaanalyse zugelassen werden und welche nicht. Es sei wichtig zu beachten, dass erstens die methodischen Qualitätskriterien erfasst und zweitens die Bedingungen analysiert werden, die zu einer Vielfalt der Ergebnisse der Studien führen. Prof. Dr. Pant zufolge hat Hattie dies in seiner Metaanalyse jedoch nicht nach dem Stand der Kunst umgesetzt. So komme es, dass beispielsweise offene Lernformen in Hatties „Erfolgsbarometer“ nicht gut abschneiden, aber stark lehrerzentrierte Lernformen, wie die „direkte Instruktion“, als wirksam gelten. Demnach sei die Aussagekraft von Hatties Metaanalyse sehr „wacklig“ – und dennoch basieren darauf nun weltweit politische Entscheidungen und Schulentwicklungsprogramme! So sind beispielsweise im Bundesstaat Victoria in Australien sogenannte „Hattie-Schulen“ entstanden oder online Plattformen wie „What Works Clearinghouse“. Das Schulnetzwerk „Hattie-Schulen“ ist sehr erfolgreich, es herrscht eine hohe Teamkooperation unter den Lehrkräften, allerdings erleben die Schülerinnen und Schüler kaum Mitwirkungsmöglichkeiten bei den Lerninhalten.
Die Ergebnisse von Hatties Metaanalyse sollten also nicht unkritisch hingenommen werden. Doch natürlich sind Hatties Befunde nicht grundlegend unzutreffend. Mit Hatties Grundaussagen – dass es auf die Lehrkraft ankommt, Schülerfeedback wichtig ist und eine reziproke Perspektivübernahme entscheidend ist für den Lernerfolg – stimmt Prof. Dr. Pant überein. Er sieht Hatties Aussagen als eine reflexive Anregung und vertritt den Standpunkt, dass bei Reformen in der Lehrerbildung nur ein ko-konstruktiver Ansatz sinnvoll ist, um die Wissenschaft für die Praxis dienlich zu machen.
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass Prof. Dr. Pants Kritik an Hatties Buch „Visible Learning“ für manche Zuhörerinnen und Zuhörer überraschend kam. Es wurden Fragen gestellt, beispielsweise wie es überhaupt zur Veröffentlichung kommen konnte, warum es so großen Anklang fand oder worauf man sich nun in der Prüfung im Staatsexamen beziehen könne, wenn Hattie als Quelle nun ausscheide.
Insgesamt stellte die Ringvorlesungsreihe „Lehr- und Lernperspektiven – Impulse aus der Forschung für Schule und Unterricht“ einen vollen Erfolg dar. Es gab viele interessante Vorträge und anschließenden Diskussionen über aktuelle Ergebnisse aus der Schul- und Unterrichtsforschung mit guten Ansätzen für die Praxis. Wir freuen uns, dass die Ringvorlesungen voraussichtlich wieder stattfinden werden.
Die Präsentation kann bei Prof. Dr. Pant angefragt werden.