Den letzten Vortrag der Ringvorlesung „Lehr- und Lernperspektiven“ vor der Weihnachtspause gestalteten Frau Dr. Heidi Sinn und Herrn StD Andreas Kibin vom Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Freiburg. Die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den recht gut gefüllten Rängen des Hörsaals konnten sich damit über einen Beitrag unmittelbar von der Nahtstelle Theorie–Praxis freuen, deren stärkere Vernetzung ein wichtiges Anliegen sowohl der Referentinnen und Referenten als auch des FACE ist. Dass dies als gelungen gelten darf, zeigten nicht zuletzt die an diesem Abend besonders zahlreichen Fragen und Wortmeldungen aus dem Publikum, die zu einer angeregten Abschlussdiskussion führten.
Bereits in den einleitenden Bemerkungen kennzeichneten die Vortragenden Feedback als eine emanzipatorische Errungenschaft der heutigen Zeit. Der Vortrag gliederte sich in folgende drei Teile: Schulentwicklung – Feedback zwischen Lehrenden und Lernenden – Kollegiales Feedback.
Dass sie damit eine institutionell spätestens seit den „PISA-Studien“ gefestigte Position vertreten, konnte Herr Kibin durch einen Verweis auf die systematische Qualitätsentwicklung im Modell OES (Operativ Eigenständige Schule) an Beruflichen Schulen in Baden-Württemberg belegen. Dieses sieht als festen Bestandteil einen Zyklus aus Selbstevaluation der eigenständig formulierten Zielsetzungen, Individualfeedback (sowohl Schüler-Lehrer- als auch kollegiales Feedback) und professioneller Fremdevaluation vor. Dieser Kreislauf folge allgemeiner gesprochen dem sog. PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act), jedoch mit einer starken Betonung der Handlungskomponente. Ziel jeden Feedbacks sei schließlich das Erhellen „blinder Flecken“ (vgl. Johari-Fenster nach Joseph Luft und Harry Ingham) und ganz allgemein das Eröffnen von Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich bestimmter Aspekte, die dem Handelnden sehr wohl auch bekannt sein können.
Daran anknüpfend zeigte Frau Dr. Sinn unter Rückgriff auf die Studie „Visible Learning“ John Hatties (dt. „Lernen sichtbar machen“, übers. von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer) auf, dass Feedback sowohl als Lehrer-Schüler- aber gerade auch als Schüler-Lehrer-Feedback ein maßgeblicher Faktor der Unterrichtsqualität und damit auch des individuellen Lernerfolgs ist. Wie zwei Zahnräder müssten beide Seiten ineinandergreifen.
Dr. Sinn kritisierte, zu häufig bliebe Feedback auf Ebene der Aufgabe (Wie gut bzw. vollständig habe ich die Aufgabe bewältigt?) verhaftet, anstatt sich stärker auch auf die Ebenen der Verstehensprozesse (Welche Strategien verwende ich? Woran erkenne ich meine Fehler?) und der Selbstregulation (Wie kann ich mein Lernen steuern?) zu richten. Klar zu trennen von Feedback sei jedoch das Lob, das sich auf die vierte Ebene der Person bzw. des Selbst richte und keine lernrelevante Information enthalte (z.B. „Gut gemacht!“).
Feedback-Methoden wie „Stärken-Schwächen-Tipps“. „Einschätzungsbogen“, „Lernrad“ oder „Lerntagebuch“, welche die ausgeführten Punkte berücksichtigen, finden sich etwa in „Feedback-Kultur in der Schule. Das Praxisbuch“ von Jost Schneider (Hg.) und Christoph Maitzen (2015). Herr Kibin stellte weitere Methoden vor, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Stärken und Schwächen immer gezielt und passend für eine Unterrichtssituation ausgewählt werden müssen: „Zielscheibe“, „Ratingkonferenz“, „Feedbackbogen“, „Fünf-Finger-Methode“ u.a.
Als umfassenden Ansatz, der die Bereiche des Individualfeedbacks und der Schulentwicklung vor dem Hintergrund der Hattie-Studien verknüpft, wurde zuletzt das Projekt LUUISE (Lehrpersonen Unterrichten und Untersuchen Integriert, Sichtbar und Effektiv) von Frau Dr. Sinn vorgestellt, das sich durch die Gleichzeitigkeit von Unterricht und Feedback auszeichnet. Die ausgemachte unterrichtliche „Knacknuss“ wird hierbei durch geeignete Methoden sichtbar gemacht, die Lehrperson bei der Erarbeitung der „smart(en)-Ziele“ (spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch, terminiert) und deren Umsetzung durch ein externes Coaching unterstützt.
Im Bereich des kollegialen Feedbacks gingen die Referent_innen kurz auf das Konstanzer Modell, die Evidenzbasierten Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung (EMU) und die im Pilotbetrieb befindliche Virtuelle Hospitation ein. Sie schlossen mit allgemeinen Hinweisen für ein gelingendes Feedback, das auf einige Voraussetzungen sowohl auf Seiten der Feedbackgeberin als auch des Feedbackgebers angewiesen ist, sowie einigen Tipps für die Praxis.
Die abschließende offene Diskussion drehte sich u.a. um Fragen der Verbindlichkeit einer Feedback-Kultur, um die Darstellbarkeit persönlicher Beziehungen in evidenzbasierten oder gar standardisierten Methoden sowie um die Bewertung von sog. Peer-Feedback.